Geschichte
Das Fremde im Mittelalter
I. Begriffe und Anschauungen: Wörterkunde - Typen - Thesen zum Fremden - Thesen zum Wundermenschen; II. Die Fremde im Zusammenhang: Kunst - Kartographie - Handel, Diplomatie und Reisebericht - Gartenbau und Naturkunde; III. Geschichte der Fremdheitserfahrung: Antike - Spätantike und Frühchristentum - Mittelalter; IV. Glossar, V. Bibliographie
Das Fremde: Begriffe und Anschauungen
Wörterkunde
helfant (stm.) |
Varianten: elephant, elephas. helfant, helphint; Elefant: "daz Porus elefande brâhte" in: Pfaffe Lamprecht: Alexander (4040), "die elfande" (4071), "si brâchten manich ëlfent" (3977), owie "manegen grôzen helfant" in: Ulrich von Zatzikhoven: Lanzelet (3997), "ein helfant wilde" in Haugdietrich und Wolfdietrich (517,2). Im Wernigeroder Alexander schickt Porus "fünf hundert elephant" in den Kampf (3203), später kämpft Alexander (3925) offenbar gegen wilde Elefanten. Auf einem Elefanten reitet auch der Riese Mentwin aus dem Orendel. Nach dem Millstätter Physiologus verzehren Elefanten vor dem Liebesspiel die Wurzel Mandragora (Alraune) (VIII, 1 ff.). Seine Jungen bringt er, um sie vor dem Zugriff der Drachen zu schützen, im Wasser zur Welt. In Berufung auf Solinus, Aristoteles und andere spricht Konrad von Megenberg ausführlich vom guten Gedächtnis, der Keuschheit und Pietät des Elefanten (III, 24). Alexander und seine Makedonen jagen bei Ulrich von Eschenbach Elefanten (22042 ff.). |
linttrache (stm.) |
Lindwurm, Drache, so z. B. "einen lintrachen sluoc des heldes hant" im Nibelungenlied (101,2) und "dô er den lintdrachen an dem berge sluoc" (842,2) oder "zwên lintracken" in Heinrich von Türlin: Diu krone (157a). Ein "wurm" wird auch von Neptanabus im Wernigeroder Alexander beschworen (225 ff.). |
merwunder (stn.) |
Meerwunder, Seeungeheuer, Seetier, Monstrum , so imWaltharius (38,2), "ez wære ein wildez getwerc oder ein merwunder" in: Kudrun (75,2), "diu merwunder und die vische" in: Thomasin von Zirklaere: Der welsche gast (10455). Meerwunder hofft Alexander bei Ulrich von Eschenbach auf seiner Tauchfahrt zu erblicken (24173). |
Sarrazîn (stm) |
meist: Araber, Moslem, Türke, so z. B. Parzival (18,29); in der Erlösung (14. Jh.) wird allerdings Herodes als "sarrazîn" bezeichnet . |
vremde (Adj.) |
1. Gegensatz zu einheimisch, 2. nicht eigen, 3. nicht bekannt oder vertraut. 4. ungewöhnlich, seltsam, wunderbar: dazu Nibelungenlied (354, 1): "von fremder vische hiuten bezoc wol getân, die ze sehenne wâren den liuten fremde", und Wigalois (6932): "ein fremdiu crêatiure" und (7449): "der salamander führt in dem viure ein fremdez leben ". |
vremdeclîche (Adj.) |
fremdartig, fremd: dazu Gottfried von Straßburg: Tristan (2537): "der pfellel was von Sarrazînen in fremdeclîchem prîse nâch heidenischer wîse wol underworht". |
wilde, wilt (Adj.) |
1. wild, unangebaut, nicht von menschen gepflegt und veredelt, wild wachsend, unbewohnt, wüst; 2. abgestorben, faul; besonders 3. ungezähmt, wild, in der wilde wohnend, dämonisch: "wilder man" im Jüngeren Sigenot (33 ff) und "mit wilder wîbe hende geworht" im Lanzelet (4840); 4. irre, unstät, untreu, -wahr, sittenlos, 5. unbekannt, fremd, ungewohnt, fremdartig, entfremdet, wunderbar, seltsam, unheimlich: "wildiu mære " im Nibelungenlied (1514,2) oder "diu rehte wîsheit was dô al den heiden" im Lohengrin (5837); 6. "doch ist ez mir noch wilde" im Sinne von wunderbar, unerklärlich in der Klage (1,480). 7. entfremdet; 8. entfernt, abgewendet. |
Typen des Fremden
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Die fremde Natur. Fremdes kann Teil der Natur sein und ist als solches der Zivilisation gegenübergestellt. Als Kind der Natur erscheint der edle Wilde als Gegenbild zum Zivilisationsmenschen.
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Das fremde Jenseits. Das Paradies ist ebenso wie die Unterwelt (Fegefeuer, Hölle) ein Ort, an dem Fremdes beheimatet ist.
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Der fremde Glauben. Während der kulturell Fremde desselben Glaubens eine verbindende Perspektive hat, die Heilsgewissheit, gilt dies für die Heiden nicht. Fremd erscheinen neben den polytheistischen Systemen auch Juden, Zoroastrier und Muslime.
Thesen zum Fremden
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Das Fremde in Darstellungen des Mittelalters ist umso wirkkräftiger, desto simpler es dargestellt ist (Pochat 1997, S. 10)
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Das Fremde ist stets vor dem Hintergrund des Eigenen zu sehen, von dem es sich abhebt. Die Erkenntnis des Fremden setzt also die Erkenntnis des Eigenen als zusammenhängendes Ganzes voraus.
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Das Fremde als räumlich Unverfügbares verbindet sich in mittelalterlichen Darstellungen oft dem Fremden als kategorial Unverfügbares (Dämonisches, Göttliches, Begriffliches, Ideales, Wunderbares).
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Die Darstellung des Fremden befindet sich im Wechselspiel mit der Entdeckung des Fremden: das Entdeckte erscheint vor dem Hintergrund der Bilder, die Bilder verändern sich im Zustrom des Entdeckten.
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Neben der bewussen Thematisierung des Fremden ist auch die unbewusste (formale) Assimilation des Fremden möglich (Pochat 1970, S. 20 ff.)
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Die Wahrheit eines Berichts erweist sich nicht aufgrund eines Zeugnisses, sondern aufgrund der Übereinstimmung mit der Überlieferung.
Thesen zur Darstellung von Wundermenschen
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Wundermenschen leben oft am Erdrand - dort, wo aufgrund großer Hitze oder Kälte menschliches Leben eigentlich unmöglich ist. Das Wunderbare ihrer Gestalt erscheint als konsequente Anpassung an die Unwirtlichkeit ihres Lebensraums.
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Wundermenschen sind das Ergebnis einer Fehldeutung von Sinneseindrücken, insbesondere dann, wenn sie Eindrücke in Bilder überführt und vom Leser rücküberführt werden: Masken werden für Gesichter gehalten, Bekleidung und Bewaffnung für Teile des Körpers.
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Wundermenschen entstammen einer Übersteigerung tatsächlicher Deformation: so erinnern einige der Wundermenschenbilder an rituelle Deformationen des Körpers (Dehnung der Ohrläppchen oder der Unterlippe).
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Wundermenschen sind Übersetzungsfehler: wie aus dem gekrönten Moses (coronatus) der gehörnte Moses wird (cornu) geht der Glaube an Wundermenschen teilweise aus falsch übersetzten Berichten oder im Sinne heimischer Sprachen gedeuteter fremdsprachlicher Namen hervor. Auch Beschreibungen von Tieren könnten als Menschenbeschreibungen gedeutet worden sein. Wundermenschen zeigen das Wirken schädlicher Dämonen an, die dem Christen nichts anhaben können.
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Die Missgestalt der Wundermenschen ist ein Ausdruck ihrer geistigen Unförmigkeit (Heidentum). Insbesondere die Vertreter von Kulten, deren heilige Bilder selbst Mischwesen zeigen, werden als Wundermenschen dargestellt.
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Kultbilder aus dem Orient (hinduistischer oder chinesischer Provenienz) könnten als Folge einer Verkennung ihres nicht-abbildenden Chrakters als Abbildungen dortiger Zustände gedeutet worden sein.
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Wundermenschen zeugen von der Beschäftigung mit dem Möglichen und sind als Geschöpfe Gottes Demonstrationen seiner Allmacht: systematisch werden Eigenschaften des Menschen übersteigert (die Riesenohren der Panotier) oder negiert (die kopflosen Brustgesichter vieler Chroniken).
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Wundermenschen könnten ihre Gestalt einer Übertragung von Beobachtungen verdanken, die Reisende an Tieren machen und im Bericht verschmelzen (Rüssel der Scirithen).
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Wundermenschen sind intertextuelle Übernahmen aus früheren Berichten.
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Wundermenschen zeugen von der Beschäftigung mit den Ursachen der menschlichen Gestalt und den Grenzen menschlicher Fähigkeiten.
Die Fremde im Zusammenhang
Das Fremde in der Kunst
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Ägyptenmode in der römischen Mosaikkunst (Pompeji, Piazza Armerina auf Sizilien, Palestrina in Oberitalien)
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Tierstil-Ornamentik in der irischen Buchmalerei, in germanischer und keltischer Schmiedekunst
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Oberitalienische Olifanten (Hörner aus Elfenbein), beeinflusst von arabischen Arbeiten, sind oft mit Fabeltieren (Einhörnern, Greifen) verziert.
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Schmuck und Kunsthandwerk aus dem arabischen Kairo gelangt zunehmend auch in den Westen, wo die kufische Schrift und die florale Ornamentik der Gegenstände zur Nachahmung anregen. Dazu gehören auch Weihrauchdosen (Pyxen), Seidenarbeiten aus Bagdad und Damast aus Damaskus, Goldbrokat aus Mossul (Musselin), Taft aus Persien, Tüll und Dabikis aus Ägypten sowie Seidenballen und Gewänder aus China (Camocas). Besonders häufig eingeführt werden Gläser, Elfenbeinschnitzereien und Edelsteinschmuck.
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Zahlreiche Illustrationen der Handschriften zum Apokalypse-Kommentar des Beatus von Liebana weisen Fabeltiere auf, die auf eine Verwandtschaft zur Seidenmalerei des Orients schließen lassen (Pochat 1997, S. 53). Im Liber Ethicorum (2. H. 14. Jh.) lehrt Henricus Alemannus in arabischer Tracht.
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Das Tympanon der Sainte-Madeleine in Vézelay (um 1130) zeigt im Rahmen einer Majestas Domini in den Archivolten heidnische Völker (Panotier, Kynokephaloi) und verschiedene Mischwesen.
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Die Kreuzfahrerburgen (Krak des Chevaliers) verraten in Ornamentik und in architektonischen Einzelbausteinen armenische und arabischen Einfluss.
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Der gotische Spitzbogen könnte entweder durch Kreuzfahrer oder durch die Baukunst des maurischen Spaniens in Europa eingeführt worden sein.
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Belege für die Übertragung maurischer Stoffmuster in die sakrale christliche Kapitellornamentik finden sich in Santo Domingo de Silos (Nordspanien).
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Kufische Zeichen als Schmuck eines Triumphbogens finden sich in der Pürgger Johanneskapelle (1160).
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Eine Bodenplatte des Sieneser Doms Santa Maria dell'Assunta von Giovanni di Stefano (1488) zeigt Hermes Trismegistos in arabischem Gewand.
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Martin Schongauers Ruhe auf der Flucht von 1470 zeigt im Hintergrund Dattelpalmen und den Drachenbaum der Kanaren.
Das Fremde in der Kartographie
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Erste kartographische Werke legen Eratosthenes (234-196 v. u. Z.), Strabon (63 v. - 21. n. u. Z.) und Ptolemaios (85 -160) vor. Die Syntaxis des Ptolemaios wurde über die Araber in Europa als Almagest bekannt. weite Teile der Erde wurden als unbewohnbar ausgegeben, so auch im Commentarius in Somnium Scipionis (5. Jh.) des Macrobius.
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Die Ebstorfer Weltkarte von 1235 zeigt das typische Modell der T-Karte, die an den Welträndern Monstren und Fabelwesen ansiedelt und dabei Motive der Wunderliteratur mit antiken Mythen und dem Alexanderstoff (Gog und Magog) vereinigt.
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Die Hereford Map des Richard of Haldingham (ca. 1280) zeigt an den Welträndern Fabelwesen und Wundermenschen.
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Der 1375 von Abraham Cresques gezeichnete Atlas catalan zeigt unter anderem den Kampf der Pygmäen gegen die Kraniche und die apokalyptischen Völker Gog und Magog.
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Auf der Rundkarte des Fra Mauro (1460) werden die Inseln der Seligen, als "Brasilien" benannt, im westlichen Ozean angesiedelt.
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Noch auf dem Globus Martin Behaims aus dem Jahr 1492, bemalt von Georg Glockendon d. Ä., sind in Afrika Wunderwesen und in den Ozeanen Seeschlangen zu sehen.
Das Fremde in Handel, Diplomatie und Reisebericht
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Harun ar-Rashid, Kalif von Bagdad, schenkt Karl dem Großen einen Affen und einen Elefanten.
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Liutprand von Cremona, Gesandter Ottos I. am Hof des byzantinischen Kaisers Nikephoros Phokas, schildert diesen in seiner Relatio de legislatione von 968 in düsteren Farben.
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Otto III. soll vom König der Polen ein Kamel zum Geschenk erhalten haben, das ihn von da an bei seinen Kriegszügen begleitete.
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Giovanni de Plano Carpini, Gesandter Innozenz' IV. am Hof des Großkhans in Karakorum, berichtet 1248 in seiner Historia Mongalorum quos nos Tartaros appellamus zwar ausführlich und durchaus zutreffend aus dem Leben der Mongolen, erwähnt aber dennoch Ungeheuer mit Frauenköpfen, deren Männer Hundsköpfe trügen, oder Troglodyten, die unterirdisch vorrücken.
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Der Franziskaner Wilhelm von Rubruk, Gesandter Ludwigs IX. in Karakorum, berichtet in seinem Itinerarium ausführlich und nahezu ohne die üblichen Monstrositäten aus Innerasien. Allein hinsichtlich der Rotfärbung des lamaistischen Gewands berichtet er Unglaubwürdiges.
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Marco Polo berichtet in seiner Le Divisament du Monde, dem Mitgefangenen Rustichello da Pisa im Gefängnis zwischen 1298 und 1299 zu Genua diktiert und bald darauf als Il Milione bekannt geworden, von hundsköpfigen Bewohnern der Andamanen, von Greifen aus Mogadischu und anderen Fabelwesen.
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Der tschechische Franziskaner Odorich von Pordenone berichtet in seinem Itinerarium de mirabilibus orientalium Tartarorum von 1330 aus Ostasien.
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Hethum I. von Kleinarmenien (Kilikien) unternimmt zwischen 1250 und 1255 eine Gesandtschaft zum Mongolenkhan; die Berichte werden aber erst 1822 aufgefunden und übersetzt.
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Das Liber de quisbusdam ultramarinis partibus et praecique de Terra Sancta
des deutschen Ritters Wilhelm von Boldensele berichtet 1333 aus dem Orient. -
Gegen 1360 berichtet Giovanni de' Marignolli in seinem Chronicon Bohemiæ von seiner Orientreise, die ihn bis nach China und Indien führt.
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Der populäre normannische Reisebericht Les voyages d'outre mer von 1357, der einem Jean de Mandeville zugeschrieben wird, bericht Abenteuerliches aus dem nahen und fernen Osten.
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Das 1403 mit 265 Miniaturen ausgiebig illuminierte Sammelwerk Livre des merveilles (Ms. fr. Cod. 2810) enthält eine Zusammenfassung mittelalterlicher Reiseberichte.
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Nicolo de' Contis ausführlicher Bericht aus Südasien erscheint in De varietate Fortunae in der Redaktion Poggio Braciolinis (1431-1448).
Das Fremde in Gartenbau und Naturkunde
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Friedrich II. lässt in Sizilien die noch aus normannischer Zeit stammende Menagerie mit exotischen Tieren deutlich ausbauen.
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Konrad von Megenberg berichtet in seinem zwischen 1358 und 1360 verfassten und an Thomas von Cantimpré angelehnten Buoch von den natürleichen Dingen über Wunderwesen und Wundermenschen verschiedener Art.
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Pierre d'Ailly (Petrus de Allaco) vertritt 1490 in seiner Imago mundi die These, dass Indien auf dem Westweg zu erreichen sei.
Geschichte der Fremdheitserfahrung
Griechenland und Rom
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Homer stellt in der Odyssee wiederholt Monstren dar, die Odysseus auf seiner Irrfahrt gefärlich werden: die Seeungeheuer Skylla und Charybdis, die menschenfressenden Zyklopen, die Sirenen (XII, 192 ff.).
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Herodot in seinen Historien (IV, 44) die Begegnung der Griechen mit Asien und Afrika: geschildert sind unter anderem die geflügelten Schlangen Arabiens, die Riesenameisen des Ostens und die einäugigen Arimaspen.
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Platon berichtet in seinem Dialog Timaios (24e) von Atlantis, dem sagenhaften Inselreich. Auch im Kritias (113c ff.) ist von Atlantis die Rede.
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Skylax von Karyanda (512-509 v. u. Z.) berichtet von Schattenfüßern (Skipapoden), die sich angeblich mit dem einzigen, dafür aber übergroßen Fuß Schatten spendeten.
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Ktesias, der Leibarzt des persischen Großkönigs Artaxerxes, berichtet in seinen Indika (392) von den Hundsköpfen (Kynokephaloi), die sich angeblich wie Hunde begatten, die indische Sprache zwar verstünden und mit ihnen Tauschhandel trieben, ansonsten aber nicht sprechen könnten. [die Qin?]. Auch von Einhörnern, riesenköpfigen und riesenohrigen Menschen, von Riesenameisen, Zwergen und der Mantichora (Zwitter aus Mensch Löwe und Skorpion) ist die Rede.
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Megasthenes, Teilnehmer am Alexanderzug und Gesandter am Hof des Diadochen Seleukos Nikator, entfaltet eine ganze Menagerie indischer Wunderwesen: er berichtet von Menschwen, deren Körperglieder vergrößert sind oder fehlen, von Pygmäen, Spitzköpfen, Leichenfressern und den erwähnten Riesenameisen.
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Kallisthenes von Olynt beschreibt in seinen Praxeis Alexandrou (ca. 330 v. u. Z.) den Feldzug Alexanders nach Indien.
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Das Periplus maris Erythraei (50 n. u. Z.) erwähnt den Handel mit Pfeffer und Seide.
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Das Kursbuch für Indienfahrer Plinius' des Älteren (Naturalis historia VII, 11, 21) berichtet 77 n. u. Z. vom Handel mit Fernost.
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Im 1. Jh. schildert der griechische Bericht des Pseudo-Kallisthenes in seinen Gestae Alexandri den Feldzug Alexanders nach Indien und die Wunder, die ihm dort begegnen.
Frühchristentum und Spätantike
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Die allegoretische Schrift Physiologus ('Der Naturkundige', 2. Jh.) versammelt eine Reihe von Tierbeschreibungen, die in vielen Handschriften verbreitet werden und in Kunst und Literatur ihren Nachhall finden. Erwähnt werden neben Sirenen und Kentauern u. a. auch der Phönix und das Einhorn.
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Solinus (3. Jh.) breitet in seiner im Mittelalter breit rezipierten Schrift De mirabilium mundi ein Panorama von Monstren und Wunderwesen aus.
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Julius Valerius übersetzt im 3. Jh. unter dem Titel Res gestae Alexandri Macedonis translatae ex Aesopo Graeco erstmals die Alexanderdichtung des Pseudo-Kallisthenes. Darin ist von Affenmenschen die Rede.
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L. Caelius Firmianus Lactantius verfasst sein Carmen de ave Phoenice, das in 170 Versen die Existenz des sagenhaften Vogels Phönix behauptet.
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Im Liber Junioris Philosophi (ca. 350) wird das Leben der Camerini Indiens geschildert, das sich durch größtmögliche Sorglosigkeit auszeichnet.
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In seiner Schrift Adversus Jovinianum (395) stellt Hieronymus fest, dass, so verächtlich die Essgewohnheiten fremder Völker auch sein mögen, sie auch den Umständen geschuldet seien.
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Palladios von Helenopolis (363-431) erzählt in De gentibus Indiae et Bragmanibus vom Leben der indischen Brahmanen und liefert damit die Vorlage für Pseudo-Kallisthenes.
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In De gubernatione Dei (nach 439) entschuldigt Salvianus die Verworfenheit der Franken, Sachsen, Alanen, Albaner, Gepiden und Chuner, weil sie als nichtchristliche Barbaren das Rechte nicht erkennen können.
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Kosmas Indikopleustes (der Indienfahrer) beschreibt in seiner Topographia Christiana im 6. Jh. die Inseln der Seligen und wendet sich gegen die Vorstellung, es gebe Antipoden (Gegenfüßler).
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Isidor Hispalensis (von Sevilla) schildert in seinen Etymologiarum sive originum libri XX zahlreiche Fabeltiere, Wundermenschen und Monstren; Isidor sagt den Skythen nach, sie fräßen Menschen. Übrigens: Isidor ist seit 2001 der Patron des Internets!
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Der Archpresbyter (Erzpriester) Leo übersetzt den Alexanderroman des Pseudo-Kleisthenes als Historia de Proeliis ins Lateinische.
Mittelalter
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Hrabanus Maurus, der 'Praeceptor Germaniae', schildert in De Universo (847) sagenhafte Länder und die Inseln der Seligen; seine Darstellung verschiedener Wundermenschen beruhen vor allem auf Isidors Etymologien und den Schriften des Solinus.
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Adam von Bremen berichtet in seinem Gesta Hammaburgiensis ecclesiae Ponteficum (1072-1076), dass es im Land zwischen Estland und Finnland Menschenfresser, Hundsköpfe und Amazonen gebe.
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Eine lateinische Handschrift des 11. Jhs berichtet unter der Überschrift Navigatio Sancti Brendani Abbatis die abenteuerliche Meerfahrt des irischen Mönchs St. Brendan (484-577) zu den Inseln der Seligen. Zahlreiche Karten und Chroniken (Krumauer Bildercodex, Cod. 370, 1358) nehmen auf diese Überlieferung Bezug und zeigen den heiligen Brendan, wie er Teufeln und Ungeheuern begegnet. Bei der Ankunft auf den Inseln der Seligen werden Brendan und seine Begleiter von Drachen bedroht, bis sie ein blonder Jüngling ins paradiesische Innere der Insel führt.
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Bernhard von Clairvaux greift in seiner Apologia ad Guillelmum Sancti Theoderici Abbatum (1123-1125) die Unsitte der Cluniazenser an, Monstren und Fabelwesen in ihren Kirchen anzubringen: "Videas sub uno capite multa corpora, et rursus in uno corpore capita multa. Cernitur hinc in quadrupede cauda serpentis, illinc in pisce caput quadrupedis. [...]" 'Du siehest unter einem Haupte mehrere Leiber, und umgekehrt auf einem Leibe mehrere Köpfe. Hier erkennt man an einem Vierfüßler einen Schlangenschwanz, und dort an einem Fisch das Haupt eines Vierfüßers. '
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In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts liegt in einer alemannischen Prosafassung der Physiologus erstmals in deutscher Übersetzung vor ('Älterer Physiologus'). Eine Reimfassung bietet die Milstätter Handschrift, entstanden zwischen 1130 und 1150.
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Die Visio Tnugdali (oder Tungdali) des Pater Marcus, entstanden 1149 und in zahlreichen Handschriften verbreitet, schildert u. a. den Garten Eden und den darin befindlichen Paradiesbrunnen.
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In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts verfasst Honorius Augustodunensis (von Autun) seine Schrift De imago mundi, die u. a. den Alexanderzug, verschiedene Wundermenschen, Fabeltiere und Monstren beschreibt.
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In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts verfasst Walter von Châtillon seine Alexandreis, sive Gesta Alexandri Magni, die neben Bezügen zu Vergil und Homer ("Incidit in Scyllam qui vult vitare Charybdim") auch eine anachronistische Erwähnung der Passion Christi bereithält - auch Wundermenschen und Monstren sind erwähnt.
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In Jean Bodels Chanson des saisnes (Sachsenlied) von 1204 ist unter anderem von eigenartigen Kriegern mit spitzigen Zähnen und langen Bärten die Rede, die in großer Zahl aus Anneguie herangestürmt seien.Otto von Freising berichtet in seiner Weltchronik von 1246 erstmals vom Presbyter (Priesterkönig) Johannes, der als König nestorianischer Christen angeblich weit im Osten der Welt lebe und ein Bündnis mit den Christen des Westens suche.
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Eine in weiten Zügen wunderbare Weltbeschreibung liefert auch Walter von Metz in seiner Imago mundi (1246).
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Mit dem dreiteiligen Speculum maius des Vincentius Bellovacensis (von Beauvais) entsteht 1247 die einflußreichste Enzyklopädie des Hochmittelalters. Das Speculum historiale (Teil I) schildert die Geschichte der Menschheit vom Auszug aus dem Paradies bis ins Jahr 1244, das Speculum naturale (Teil III) ist eine Naturkunde.
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Li livres dou tresor des Bruno (Brunetto) Latini von 1250 weisen ebenfalls wunderbare Züge auf.
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Die Weltchronik des Rudolf von Ems schildert ebenso wie seine an orientalische Stoffe anknüpfende Verserzählung Josaphat und Barlaam (1225-1230) und inbesondere sein unvollendeter romanhafter Alexander (1230) abgelegene, wunderbare Weltgegenden.
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Jean de Joinville redigiert zwischen 1305 und 1309 das Livre des saintes paroles et des bons faiz nostre saint roy Looÿs heraus, in dem er auch orientalische Merkwürdigkeiten verzeichnet.
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Das Livre des merveilles der Bibliothèque Nationale in Paris (Ms. fr. Cod. 2810) zeigt neben zahlreichen Fabelwesen und Wundermenschen auch das altpersische Motiv des lesenden Alexanders zwischen Sonnen- und Mondbaum, bedroht von Wolf, Bär, Löwe und Basilisk.
Glossar
Agrestin (der) |
Riese mit Schweineborsten, der im Alexander Ulrich von Eschenbachs mit Hilfe einer Jungfrau überlistet und überwältigt wird (22589). |
Albaner (Pl.) |
Volk Albaniens, das im Wernigeroder Alexander (759) und im Alexander Ulrich von Eschenbachs (21254) dem Feldhern gegenübertritt und in der Schlacht übergroße Hunde einsetzt. |
Amazonen (Pl.) |
Allein aus Frauen bestehendes Kriegervolk, das bereits in der Antike namhaft ist; im Wernigeroder Alexander trifft Alexander in Caspia auf die Amazonenkönigin Salestria (3329), gegen Frauen ficht er auch später noch einmal (3926); im Großen Alexander Rudolfs von Ems (17782) heißt sie jedoch Talistria. Eine umfangreiche Amazonen-Episode erzählt Ulrich von Eschenbach in seinem Alexander; die Amazonenkönigin heißt Thalestris (17399-17612). |
Ameisen (Pl.) |
Goldschürfende Riesenameisen erwähnt neben Plinius auch Ulrich von Eschenbach in seinem Alexanderroman (23115). |
Amphisbena (die) |
Schlangenart, die nach Solinus und Konrad von Megenberg (IIIE, 2) je einen Kopf vorne und hinten besitzt. Die doppelköpfige Amphisbaena schildert auch Isidor im Etymologiarum (XIII, iv: serpentes). |
Antipoden (Pl.) |
gr. 'Gegenfüßler', Menschen, von denen die Verfechter der Kugelgestalt der Erde annahmen, dass sie die Gegenseite der Erdkugel bevölkerten. Das Reden über Antipoden ist eng mit dem Streit über Fläche oder Kugelform der bewohnbaren Welt verknüpft. |
Arimasper (Pl.) |
Wundermenschen mit einem einzigen Auge auf der Stirn, wie sie u. a. Konrad von Megenberg schildert (VIII). Im Herzog Ernst (4505) wird das Land der Arimasper von Zyklopen bewohnt. Im Berliner Lucidarius (I) werden die Arimasper als "Monoculi" bezeichnet. |
Autula (die) |
Tier mit zwei Hörnern, das laut dem Millstätter Physiologus (IX) so stark ist, dass selbst Bäume ihm nicht widerstehen können. Es wird beim Trinken am Eufrat mit Ruten gefangen, in denen sich seine Hörner verheddern. Dasselbe Tier heißt bei Konrad von Megenberg "Calopus". Im Bestiaire des Philippe de Thaün (766) heißt ein großes und ebenfalls aus dem Euphrat trinkendes Tier "Aptalon". Im Berliner Lucidarius (I) wird ein schweineartiges, "Cale" genanntes Tier gezeichnet, das einen Elefenatenschwanz habe und sich mit Hauern verteidige, deren eines es einzuziehen (oder anzulegen) vermag. |
Basilisk (der) |
Wesen, das aus den Eiern von schwarzen Hähnen schlüpft und oft aus Echse und Vogel zusammengesetzt scheint; sein Blick tötet oder versteinert. Im Wernigeroder Alexander tötet Alexander das Wesen im Schutz seines spiegelnden goldenen Schildes - es lenkt den verderblichen Blick auf den "Basilistus" zurück (4599). Konrad von Megenberg identifiziert den Basilisken mit der Unke. |
Behaarung (*) |
Bärte und langes, verwildertes Haar gilt insbesondere bei den Griechen als äußeres Merkmal einer inneren Wildheit und der kategorialen Verschiedenheit vom zivilisierten Menschen oder vom Menschen schlechthin. Auch die Wilden Männer der mittelalterlichen Heraldik (häufig als Schildhalter) sind behaart, des weiteren viele Typen von Wundermenschen. Nach Ulrich von Eschenbach begegnet Alexander wilden, bärtigen Frauen (22071 ff.) und kurz darauf wilden Menschen (22093 ff.); behaart sind auch die schweinartigen Frauen im nächsten Abschnitt (22111). |
Bragmani (Pl.) |
Indisches Volk am Ganges, vermutlich korrumpiert aus einer latinisierten Form des Worts für Brahmanen. Bei Konrad von Megenberg, aber auich in anderen Alexanderdichtungen werden sie als friedliebend, züchtig und weise geschildert. Die Bragmanni des Berliner Lucidarius (I) jedoch verbrennen sich selbst und verspeisen überdies ihre im Greisenalter erschlagenen Eltern. |
Bücifalus (der) |
Pferd, das im Wernigeroder Alexander (347) der König von Capadocia dem jungen Alexander sendet: es ist "als ain öchs gestalt" und vorne kahl; überdies frißt es Menschen. |
Carista (der) |
Vogel, der nach Solinus und Konrad von Megenberg unbeschadet durch Flammen hindurchfliegt. |
Cathapleba (die) |
Nach Konrad von Megenberg (III, 15) ein im Nil lebendes Tier, dessen Blick wie der des Basilisken tödlich ist. |
Cathus (der) |
Nach Konrad von Megenberg (III, 14), der sich auf Adelinus beruft, ein in Arkadien vorkommendes und feuerspeiendes Tier, das zehnmal mehr stinkt als ein Schwein. |
Celidonier (der) |
Lebewesen ("ain wurm"), beschrieben bei Konrad von Megenberg (IIIF, 31), das im heißen Wasser lebt; wird es herausgenommen, dann stirbt es. |
Comani (Pl.) |
Von Konrad von Megenberg (VIII) erwähntes Volk, das Pferdeblut trinke und rohes Fleisch esse. Der Name erinnert an die im 13. Jahrhundert vor den Mongolen nach Ungarn geflohen Kytpschaken, Reiternomanden, die zunächst als Kumanen bekannt sind. |
Cyclopedes (Pl.) |
Wundermenschen mit nur einem Auge, ganz wie die homerischen Zyklopen riesig von Gestalt und am Ätna lebend. |
Cyrogratus (der) |
Tier folgenden Aussehens und Verhaltens, das bei Konrad von Megenberg (III, 19) in Berufung auf Solinus und Jacobus ausdrücklich mit der Hyäne verglichen wird: es hat kein Zahnfleisch und nur einen Zahn, schließt dafür aber nie die Augen. Es stammt aus der Verbindung einer Hündin mit einem Wolf. |
Drachen (der) |
Von Adelinus, Augustinus, Aristoteles und Plinius geschildertes Riesenwesen, zuweilen flugfähig (Fledermausflügel), zuweilen mit einem giftigen Schwanz ausgestattet. Als bevorzugter Lebensraum werden Gebirge (Steinrütsche) und Klüfte angegeben. Außerdem sei er der Feind des Elefanten und des Adlers. Aus seinem Schädel werde ein Stein (der Draconica) gewonnen. Im Alexander Ulrich von Eschenbachs (21603) werden Drachen bekämpft, die der Roman in Indien ansiedelt. |
edle Wilde (der) |
Völker, die in der Vorstellung des Beschreibenden fernab der verderblichen Einflüsse der Zivilisation ein moralisch einwandfreies und naturgemäßes Leben führen. Verwandt ist der Mythos vom Goldenen Zeitalter. Bei Homer werden die die Äthiopier im Süden und Abier im Norden so dargestellt, bei den späteren Griechen und den Römern treten meist Skythen, Hyperboräer oder Thraker als edle Wilde auf. Vereinzelt werden in der frühgriechischen Literatur auch die Arkadier als primitiv gesehen: diese Zuordnung wird in in der Pastoraldichtung wieder aufgegriffen. |
Einhorn (das) |
Ziegen- oder pferdeähnliches Wesen, mit oft fahlem oder weißem Fell, das auf der Stirn ein einziges Horn trägt und sich außer mit Hilfe einer unberührten Jungfrau kaum einfangen lässt. Der Millstätter Physiologus deutet das Einhorn als Sinnbild Christi (III, 1, 5), ebenso wie der Wiener Physiologus (III). Im Älteren Physiologus heißt das Einhorn wie unser Nashorn "rhinocerus", im Bestiaire des Philippe de Thaün "monosceros". Der Berliner Lucidarius (I) beschreibt das Einhorn oder "Monocerroz" wie folgt: das "houbet" gleicht einem "hirze" (Hirsch), die "füze" einem "helfentiere" (Elefanten), der "zagil" einem Schwein. Bei Konrad von Megenberg (III, 67), der sich auf Isidor beruft, ist das Einhorn von gedrungener Gestalt. Auch Felix Fabri in seinem Evagatorium und Bernhard von Breidenbach in seiner Fart uber mer berichten, dass in Palästina Einhörner lebten. |
Flammenvögel (Pl) |
Vögel, die im Wernigeroder Alexander (4544) Flammen regnen lassen, die bei der leisesten Berügrung die Haut versengen. Bei Ulrich von Eschenbach (22355) bewohnen sie Wunderbäume mit giftigen Früchten. |
Gänsehälse (Pl.) |
Menschen mit Gänsehälsen, beschrieben im Alexander Ulrichs von Eschenbach (25163 ff.). Sie stimmen möglicherweise mit den Kranichleuten im Herzog Ernst überein. |
Gog und Magog (*) |
Gewaltige Völkerschaften der Apokalypse (Offenb. 20, 7-10), die am Jüngsten Tag die Erde verheeren; nach dem Bericht verschiedener Alexanderdichtungen wurden sie von Alexander hinter der Kaspischen Pforte eingesperrt. Spätere Gesandte an den Hof des Großkhans erkundigen sich bei den Mongolen nach Gog und Magog. Erwähnt werden Gog und Magog auch im Großen Alexander Rudolfs von Ems, dort allerdings mit dem südarabischen saba in Verbindung gebracht (17225). Nach Ulrich von Eschenbach (20903) sind Gog und Magog zwei nach ihren jeweiligen Königen benannte Barbarenvölker, die neben Schlangen und Kröten auch Menschen verzehren; auf Anrufung Alexanders sperrt Gott die Völker im Gebirge ein. Auch der Berliner Lucidarius (I) kennt das Motiv der unter dem Berg Caspius eingeschlossenen apokalyptischen Völker. |
Greif (der) |
Großer Vogel mit Adleroberleib und Löwenbeinen, der nach Konrad von Megenberg (IIIB, 33) Achate in sein Nest legt und, hierin beruft sich Konrad auf Hrabanus Maurus, über ausgegrabenes Gold ausgräbt. Ulrich von Eschenbach lässt Alexander mit zwei Greifen zum Himmel auffahren (24693 ff.). Greifen entführen den Herzog und einige seiner Männer im Herzog Ernst (4109), um diese an ihre Jungen zu verfüttern. In Meerrinderhäute gehüllt entfliehen die Ritter. Gegen Greifen kämpfen im Berliner Lucidarius (I) die Macrobier. |
Grippianer (Pl.) |
Lächerlich-groteske Bewohner des Landes Grippia jenseits Mesopotamiens im Herzog Ernst (2205 ff.), bei denen einem wohlgeformten menschlichen Körper ein Kranichkopf aufsitzt. Der König der Grippianer, Entführer der indischen Königstochter, hat jedoch einen Schwanenkopf. Die Schnäbel der Kranichleute verletzen geraubten Frauen beim Küssen die Münder. Der schlanke Hals der Kranichkrieger und ihre wenig beeindruckende Bewaffnung (Bögen) trägt dazu bei, dass Herzog und Graf die Kraniche ohne größere Mühe besiegen. |
Gymnosophistes (Pl.) |
Indisches Volk, das in mehreren Alexanderdichtungen den makedonischen Feldherrn in philosophische Gespräche verwickelt; sie leben äußerst einfach, kleiden sich nicht und schlafen auf der Erde, erinnern insofern an hinduistischen Samanas. Im Wernigeroder Alexander heißen sie "Genosophist" (3835). Auch Konrad von Megenberg erwähnt sie achtungsvoll (VIII). Auf Gymnosophisten trifft auch der Alexander Ulrich von Eschenbachs, der von ihnen gründlich gemaßregelt wird (22221). |
Hinam (das) |
Nicht näher bestimmbares Tier, das laut dem Millstätter Physiologus in Übereinstimmung mit dem Alten Testament nicht gegessen werden dürfe. Möglicherweise übereinstimmt es mit dem Stachelschwein, das bei Konrad von Megenberg "Cirogryllus" heißt. |
Insel der Seligen (Pl.) |
Sagenhaft fruchtbare Inselgruppe, die man im westlichen Ozean vermutete (nachgewiesen bei Plinius d. Ä., Isidor Hispalensis, Hrabanus Maurus). Auf Karten des Mittelalters (Katalanatlas) häufig verzeichnet, in der frühen Neuzeit kartographisch auch mit Brasilien identifiziert. |
Ipomites (der) |
Großes, im Wald lebendes Tier, das wie ein Krokodil ein Horn an der Brust trage und wie ein Löwe aus dem Hinterhalt angreife; erwähnt im Alexander Ulrich von Eschenbachs (22021). Ebendort (25543) wird ausgeführt, die Bestie bestehe aus dem Vorderleib eines Bären und dem Hinterleib eines Pferdes. |
Kentauern (Pl.) |
Wundermenschen, deren Unterleib der eines Pferdes und deren Oberleib menschlich ist. In der gr. Mythologie sind Kentauern namhaft im Kampf der Kentauern gegen die Lapithen, in Gestalt des Nessos, der Herakles' Frau Deianeira raubt, und in Gestalt des weisen Kentauern Cheiron, Lehrer des Achilles. Der Millstätter Physiologus nennt die Kentauren Onocentauern (V, 5); im Älteren Physiologus (V) ist der Onocentaurus ein Lebewesen des Meers. Konrad von Megenberg (III, 55) behauptet, der Onocentaurus sei ein Wesen, das auf einem Menschenleib einen Eselskopf trage; Ähnliches steht bei Ulrich von Eschenbach, der sie Konocephali nennt und zudem noch erwähnt, dass sie mit Stangen kämpften (23080). Honocentauren heißen sie im Bestiaire des Philippe de Thaün (1109). |
Kynokephaloi (Pl.) |
gr. "Hundsköpfe": indische Wundermenschen mit Hundekopf und Schweif, die nicht sprechen, aber Gesprochenes verstehen; sie tauschen Nahrung und Schmuck gegen Naturbildungen aus. Sie treten u. a. im Alexander Ulrich von Eschenbachs auf (25091). Die Hundsköpfe im Berliner Lucidarius (I) haben acht Zehen. |
Lamia (die) |
Nach Konrad von Megenberg (III, 39), der sich auf Aristoteles beruft, ein Tier, das nachts Bäume beschädigt und dessen Biss nicht verheilt. |
Lazania (das) |
Nach Konrad von Megenberg (III, 40) ein ungeheuer wildes Tier, das aus Gerechtigkeitssinn auch Löwen attackiert. |
Leocophana (das) |
Kleines Tier, das nach Konrad von Megenberg (III, 44) für Löwen giftig ist. |
Magnetberg (der) |
Berg aus magnetischem Gestein oder Erz, der eisenhaltige Gegenstände mit großer Kraft anzieht, geschildert im Herzog Ernst (3944). |
Manticor (der) |
Fabelwesen, dessen Löwenleib nach dem Berliner Lucidarius (I) ein Menschenhaupt und einen Skorpionsschwanz trägt. |
Meermönch (der) |
Nach Konrad von Megenberg (IIIC, 15) ein Meerwunder, das trotz Schnauzenbildung an einen Mönch erinnert; der Unterleib sei fischartig, der Oberleib menschlich. Es erfreue Menschen durch sein Spiel im Wasser. Zu denken wäre vielleicht an die Mittelmeer-Mönchsrobbe (monachus monachus). |
Mohren (Pl) |
Mohren kommen in der mhd. Dichtung in großer Zahl vor, so etwa im Parzifal Wolfram von Eschenbachs die Mohrenkönigin Belakane und ihr gescheckter Sohn Feirefizaus der Verbindung mit Gahmuret. Selbstredend kennt auch die Alexanderdichtung schwarze Nubier, und auch die Naturkunde Konrad von Megenbergs kennt Schwarze: jedenfalls behauptet er: " frawen, die swarz sint von grôzer hitz, habent pezzer milch wan die frawen, die weiz sint von kalter nâtûr" (I, 32, 11-12). Nach dem Kampf mit den Riesen zu Kanaan besucht Herzog Ernst auch das von Mohren besuchte Môrlant. |
Nacktheit (*) |
Nacktheit spielt bei der Beschreibung wilder Völker oder der Gymnosophisten eine nicht unwesentliche Rolle. Ulrich von Etzenbach berichtet gar, wichtige Truppenteile in Alexanders Herr seien von unbekleideten Damen ent- und wohl auch verführt worden (25645 ff). |
Nattern und Pfeffer (Pl) |
Im Wernigeroder Alexander tragen Nattern die kostbarsten Smaragde und ernähren sich von weißwem Pfeffer (226). Eben diese Nattern erwähnt auch UIrich von Eschenbach (22717), mit dem Unterschied, das bei ihm gehörnte Schlangen in einer pfefferreichen Wüste leben (23057). Die Schlangen im Pfefferland kennt auch der Lucidarius (I). |
Nikhus (das) |
Nicht näher bestimmtes Tier, das gemäß dem Millstätter Physiologus (IV, 1) im oder am Nil lebt. |
Panotier (Pl.) |
gr. 'Ganzohrenmenschen", nach Solinus und Isidor Wundermenschen bei den Skythen, die so große Ohren haben, dass sie sich damit wie in einen Mantel einzuhüllen vermögen. Immerhin spannenlange Ohren haben die wilden Menschen mit der Büffelhaut, gegen die Parmenion in Ulrich von Eschenbachs Alexanderdichtung vorgeht (15165). Panotier (hier: Großohren) kennt auch der Herzog Ernst (4820 ff.). |
Phönix (der) |
Sagenhafter Vogel, der sich zur Verjüngung immer wieder selbst verbrennt. Geschildert im Wernigeroder Alexander (4744) und im Millstätter Physiologus (XXVII, 1). Nach Konrad von Megenberg, der sich auf Solinus und Isidor beruft, stammt der Phönix aus Arabien, wird 340 Jahre alt und baut sich ein Nest aus Spezereien. Isidor berichtet im Etymologiarum (XII, vii: aves), der Phönix sei ein Vogel Arabiens ("Phoenix Arabiae avis"), den man seiner purpurnen ("phönizischen") Farbe sop nenne. Auf dem Erdkreis sei er einzigartig ("in toto orbe singularis et unica"). |
Platthufe (Pl) |
Mhd. plathüeve. Bewohner eines Landes im Herzog Ernst (4669), die sich den meisten Teil ihrer Zeit im Wasser aufhalten und nur kurz an Land kommen. Ihren Namen haben sie von den Hintergliedmaßen, die an Schwanenfüße erinnern. |
Priesterkönig (Presbyter) Johannes (*) |
Sagenhaft reicher und mächtiger König, der nach Hugo von Gabula und Otto von Freising weit im Osten der bekannten Welt lebe, zwei muslimische Fürsten besiegt habe und nur wegen des schlechten Marschwetters die heilige Stadt Jerusalem nicht befreien konnte. Vermutlich bezieht sich die Überlieferung auf Yeliutaschi, Fürst der Kerait oder Kara-Kithai (eines Turkvolks), die zum Teil nestorianisch waren und die Araber bei Samarkand vernichtend schlugen. Nachdem die Mongolen nach Erfolgen gegen die Araber zunächst ebenfalls mit dem Presbyter in Zusammenhang gebracht wurden, verlor sich dieser Glaube rasch, nachdem sie 1221 das das christliche Georgien eroberten. In den Briefen des Jordanus (1321-1324) wird das ebenfalls christliche Äthiopien für das Reich des Priesterkönigs gehalten. 1165 war bereits ein Brief des Presbyters an Kaiser Emanuel v. Byzanz, Kaiser Friedrich Barbarossa und Papst Alexander III., den letzterer beantwortete. |
Primitivismus (der) |
Haltung, die den zivilisierten Menschen zur Rückkehr in die noch unverdorbene Naturgesellschaft auffordert. Bereits bei Philon von Alexandria, in De somniis (I), wird das naturgemäße Leben empfohlen. |
Pygmäen (Pl.) |
Pygmäen sind Wundermenschen, die im Inventar keines Katalogs fehlen: oft sind sie zwischen daumen- und ellenlang und stehen im Kampf mit Kranichen, so etwa bei Konrad von Megenberg (VIII), der sie auf einem Berg in Indien ansiedelt. Den Kampf der hier Prechami genannten Pygmäen mit den Kranichen berichtet ausführlich auch der Herzog Ernst (4896 ff.). In Ulrich von Eschenbachs Alexander unterwirft der Makedonenkönig die Pygmäen (25043 ff.). |
Randvolk, das |
Nach Pochat (1997) u. a. Bezeichnung für die Bewohner jener Länder, die am äußersten Rand der Erdscheibe liegen, also das damals noch unbekannte Innerafrika, den hohen Norden und Indien bewohnen. Dazu gehören die Scirithen, die Panotier, dire Kynokephaloi, die Gymnosophisten u. a. |
Riesen |
Riesen sind ein häufiges Element von Wunderkatalogen. Aus Der Bibel ist der Philister Goliath bekannt, aber auch Alexander trifft - zumindest bei Ulrich von Eschenbach (22547) auf Riesen. |
Riesenwuchs (*) |
Riesen spielen seit Alters in der Literatur eine wichtige Rolle. Gewaltig sind die Zyklopen der Odysee, die Titanen und verschiedene andere Ungeheuer der gr. Mythologie. Im AT sind zunächst die Engelssöhne der Genesis Riesen, dann der Philister Goliath. In mhd. Zeit ist Riesenwuchs in der Alexanderdichtung ein festes Motiv - allerdings meist auf Pflanzen (Riesenbäume) bezogen. Im Herzog Ernst (5015) spielt ein Kampf des Herzogs gegen einen riesenhaften Kanaaniter auf Davids Sieg über Goliath an. |
Salamander (der) |
Gemeint ist zuweilen der in Europa in sechs Arten verbreitete Feuersalamander (Gatt. Salamandra ), da man auch ihm nachsagt, dass er Feuer zu löschen imstande sei. Isidor im Etymologiarum (XII, iv: serpentes) berichtet, dass er ohne Schmerz oder Verzehrung im Feuer überlebe, ja, dass er nicht nur nicht verbrenne, sondern den Brand sogar lösche ("vivit enim in mediis flammis sine dolore et consummatione, et non solum quia non uritur, sed extinguit incendium"). |
Satyr (der) |
Bekannte Gestalt aus der griechischen Mythologie, oft im Gefolge des Silen und des Dionysos; bei Konrad von Megenberg (III, 59), der sich auf Antonius Eremita beruft, heißt der als Geist (incubus) aufgefasste Satyr Pilosus. Bei Ulrich von Eschenbach (im Alexander) haben ausnahmsweise einmal Frauen Pferdefüße (22195). |
Scirithen (Pl.) |
Nach Solinus und Plinius d. Ä. indisches Randvolk, dessen Angehörige an Stelle der Nase einen kurzen Rüssel tragen und überdies lahm sind. |
Serra (das) |
Gemäß Millstätter Physiologus (X) ein gefiedertes Tier, das Segelschiffen den Wind aus den Segeln nimmt. Nach dem Älteren Physiologus (X) trägt es Stacheln. |
Sirenen (Pl.) |
Zwitterwesen, die in gr. Darstellungen meist die Flügel, Klauen und das Gefieder von Raubvögeln tragen, deren Oberleib aber dem schöner (unbekleideter) Frauen entspricht. Durch ihren Gesang bezaubern sie Odysseus und seine Gefährten in der Odyssee, die sich aber durch Wachs im Gehörgang vor der verderblichen Lockung des Sirenengesangs schützen. Der Millstätter Physiologus folgt in seiner Beschreibung der Sirenen (V, 2, 3) dem antiken Vorbild. Bei Konrad von Megenberg (IIIC, 17), der sich auf Adelinus beruft, werden die Meerweiber als Sirenen bezeichnet: allein der Gesang und die marine Lebensweise erinnern noch an die Sirenen der Odyssee. |
Skiapoden, die (Pl.) |
gr. "Schattenfüße": Wundermenschen (in Indien), die sich mit ihrem einzigen, übergroßen Fuß gegen die Sonne abschirmen. Konrad von Megenberg (VIII) schreibt über sie: "Läut sint, die habent neur ainen fuoz und laufent gar snell, und der fuoz ist sô prait, daz er ainen grôzen schaten gibt gegen der sunnen, und ruoent si under irm fuoz reht sam under aim obdach." Bei Ulrich von Eschenbach (25073) treten auch Einhänder auf. Auch die altnordische Eiriks Saga berichtet von Einfüßlern, die sie allerdings in Kanada antreffen. In der Beschreibung überlieferungsgemäß sind die Ciclopes des Berliner Lucidarius (I), die mit ihrem einzigen Fuß in Windeseile davonhuschen. |
Skythen (Pl.) |
Reitervolk im Raum zwischen der Krim und der pannonischen Tiefebene, in Mittelalter und Antike häufig als das Naturvolk schlechthin aufgefasst. Ein günstiges Bild der Skythen zeichnen Lactanz, Clemens von Alexandrien, Hugo v. St. Viktor, Zerrbilder entwerfen Origines, Hieronymus, Claudian und Isdor. |
Sonnenbaum, Mondbaum (der) |
In der Alexandersage zwei weissagende Bäume, die Alexanders baldigen Tod voraussagen; der Mondbaum spricht im Wernigeroder Alexander Griechisch, der Sonnenbaum indisch (477 ff.). Ein Exeget ist den Bäumen bei Ulrich von Etzenbach beigegeben (25887 ff.). |
Tyram (das) |
Im Gebirge lebendes Tier im Alexander Ulrichs von Eschenbach (es heißt hier jedoch Aimay, 21680) und im Wernigeroder Alexander, das größer als ein Elefant ist und drei Hörner trägt, die schärfer sind als geschliffener Stahl. |
Unterbliche (Pl.) |
Bei Ulrich von Eschenbach trifft Alexander auf Unterbliche, die auf einer einsamen Flussinsel leben und nur mit großer Mühe (indem ihnen die Knochen abgeschabt werden) Selbwstmord begehen können (25181 ff.). |
Verspertylian (Pl.) |
Nach lat. vespertiliones = 'Fledermäuse'. Fledermäuse mit giftigen Zähnen, die dem Heer Alexanders im Wernigeroder Alexander großen Schaden zufügen. |
Wasserfrauen (Pl) |
Im Wernigeroder Alexander (5479) Frauen, die wie Homers Sirenen Männer betören und dann ertränken; sie sind weißhäutig, haben aber Hundezähne - das behauptet auch der Alexander Ulrich von Eschenbachs (22800). Den alexandrinischen Strang greift Konrad von Megennberg (VIIII) auf: "Auch sint auz der mâzen schœn frawen, die wonent in aim wazzer in dem land India, aber si habent grausam zend sam die hund und sint über al an dem leib weiz sam der snê." Damit verwandt scheinen auch seine Meerweiber (IIIC, 17), die ihre Jungen an großen Brüsten säugen; man mag an Seekühe, vermutlich an den Dugong (dugong dugong) denken. Interessanterweise heißt die Ordnung der Seekühe wissenschaftlich Sirenia. Verwandt ist die ebenfalls bei Konrad von Megenberg (IIIC, 18) geschilderte Meerjungfrau, lat. Scylla. Ihr Oberleib sei menschlich, sie trage aber einen Schwanz wie ein Delphin; während sie im Wasser unbezwingbar seien, sind sie zu Land hilflos. Ihr Fleisch schmecke gut. Möglicherweise ist ursprünglich ein nicht näher bestimmbarer Zahnwal gemeint. |
Wasserpferd (das) |
Meerwunder; nach Aristoteles und Konrad von Megenberg ein in der Levante vorkommendes eselsgroßes Mischwesen zwischen Fisch und Pferd - vermutlich ein missverstandenes Seepferdchen. |
Wilde Männer und Frauen (*) |
In der Heraldik und Emblematig häufig dargestellt, oft am ganzen Leib behaart oder mit Blätterkleid, zuweilen mit ausgerissenen Bäumen oder groben Keulen bewaffnet. Im Wernigeroder Alexander trifft Alexander auf wilde Frauen (3987). |
Wunderbäume (Pl) |
Bäume Indiens im Wernigeroder Alexander, die am selben Tag keimen, giftige Frucht tragen und verwelken; eine Stimme im himmel warnt vor dem genuß ihrer Früchte, vergl. die Geschichte vom Sündenfall in der Genesis. |
Wundermensch, der |
Bezeichnung für Menschentypen in der Vorstellung mittelalterlicher Autoren, die besondere körperliche, kulturelle und geistige Eigenschaften aufweisen, im Ganzen "wunderbar" anmuten und sich kategorial von den eigenen Normen unterscheiden. Dazu gehören die rüsseltragenden Scirithen, die Hundsköpfe, Großohren, Schattenfüßer und zahlreiche andere. Konrad von Megenberg (XVIII) referiert die These, dass Wundermenschen nicht von Adam abstammen, sondern aus der Verquickung mit Tieren entstünden. Er gibt ferner an, es gebe beseelte und unbeseelte Windermenschen; gemeint sind offenbar Menschen mit auffälligen Abnormitäten im Körperbau. Megenberg entfaltet eine "medizinische" Theorie zu ihrer Entstehung, die auf Deformationen des Samens gründen. Im Berliner Lucidarius (I) wird eine andere Theorie entfaltet: das Entstehen von Wundermenschen wird zurückgeführt auf ein adamitisches Gebot, bestimmte Wurzeln zu verzehren, dem die Töchter des Urvaters zuwiderhandeln. |
Ydris (der) |
Nicht näher bestimmtes Tier, das gemäß dem Millstätter Physiologus (IV, 1) im oder am Nil lebt und in Feindschaft zum Nikhus steht. Im Älteren Physiologus ist der Idris mit dem "Korcodrill", dem Krokodil, verfeindet. Bei Konrad von Megenberg (IIIE, 14), der sich auf Plinius beruft, handelt es sich um eine besonders prächtige Schlange, die den Krokodilen des Nils ("Kokodrillen") die Eingeweide zerreist; sie wird von Konrad überdies mit der lernäischen Hydra in Verbindung gebracht, die im Mythos von Herakles getötet wurde. So sieht das auch Isidor, der im Etymologiarum (XII, iv: serpentes) die Hydra recht trocken als "Drache mit mehreren Häuptern" definiert ("Hydra draco multorum capitum". Ein ähnliches Tier nennt das stark am Physiologus angelehnte Bestiaire des Philippe de Thaün "Ydrus" (633). |
Bibliographie
Pochat, Götz: Das Fremde im Mittelalter. Darstellung in Kunst und Literatur. Würzburg: Echter, 1997 |
1997 |
Harms, Wolfgang und C. Jaeger (Hg.): Fremdes wahrnehmen - fremdes Wahrnehmen. Studien zur Geschichte der Wahrnehmung und zur Begegnung von Kulturen in Mittelalter und früher Neuzeit. Stuttgart, Leipzig: Hirzel, 1997. Darin:
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1997 |