Epitaph für einen Mops: Das Winnender Mops-Denkmal
Der historische Kontext
Der Mops ist unübersehbar Winnendens heimliches Emblem, sein Denkmal ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Sage vom Winnender Mops keineswegs nur eine rührende Anekdote ist. Aber ebensowenig steht fest, dass Heldentum und Hundetreue poetische Erweiterungen einer wahren Geschichte sind. Kann es sein, dass sich Gotthold Börner, Stadthistoriker und Oberlehrer, die hübsche Geschichten nur zusammengewoben hat, aus Überlieferung, Fakten und Fiktion? Der historische Rahmen ist gut abzustecken: 1668 stirbt Friedrich Karl von Württemberg und Eleonore Juliane lebt in Winnenthal als Witwe. Ihr Sohn, Karl Alexander, kämpft derweil im Dienst des Kaisers gegen Franzosen und Türken. 1714 kehrt er zurück nach Winnenthal, gibt sich Jagdfreuden und der Fasanenzucht hin. Tanz und allerlei Lustbarkeiten verkürzen ihm die Zeit – ebenso wie Spaziergänge mit dem Schlossmops. Darf man Börner Glauben schenken, dann ist der Schlossmops dabei, als Karl Alexander 1717 mit dem Regiment Altwürttemberg unter Eugen von Savoyen in Ungarn gegen die Türken kämpft. Beim Sturm auf Belgrad geht der Mops verloren, so will es die Sage. Elf Tage, so heißt es weiter, läuft er nach Winnenden zurück. Karl Alexander wird derweil Statthalter Belgrads und des besetzten serbischen Gebiets. |
Zweifel am Mops-Mythos
War der Mops tatsächlich ein herzöglicher Mops? Ist die Geschichte hinreichend belegt? So schön die Idee ist: Es leuchtet nicht recht ein, warum man sechzehn Jahre später des Mopses hätte gedenken wollen. Herrchen hatte mit den Landständen sicher genug zu tun. Außerdem: Wäre nicht bei aller Würdigung der Name des Herrchens genannt worden, Karl Alexanders? Wenn das aus Rücksicht auf die Etikette nicht erfolgt ist, hätte man nicht wenigstens den langen Weg von Belgrad erwähnt? Und müsste es nicht wenigstens eine Quelle vor Börner geben, die von dieser beispiellosen Geschichte erzählt? Diese Quelle gibt es durchaus, allerdings sollte man die Überlieferung mit Skepsis betrachten. „Der höchseel. Herzog Karl Alexander von Wirtemberg, hatte einen getreuen schönen Mops“, schreibt der unbekannte Sammler ,„dessen Fell man noch ausgestopft in dem Schlosse Winnenthal bei Winnenden zeigt. Dieser soll einst, da der Herzog aus Serbien, wo er Gouverneur war, nach Wirtemberg reißte, in Belgrad zurückgeblieben sein, und sich in unglaublich kurzer Zeit in Winnenthal wieder eingefunden haben, und bald darauf gestorben sein.“ (Anekdoten aus Schwaben, 1789, 1. Heft, S. 76 f.). Den ausgestopften Mops erwähnt auch Philipp Ludwig Hermann Röder in Geographie und Statistik Wirtembergs von 1787 (Bd. 2, S. 490). Hier werden die näheren Zustände ausgespart. Es bleibt offen.
Der Mops und die Folgen
Man weiß über den Winnender Mops und sein Denkmal über Börners phantasievoller Hundegeschichte hinaus nicht gerade viel. Es ist auf das Jahr 1733 datiert, der kaiserliche Generalfeldmarschall Karl Alexander starb, unerwartet, am 12. März 1737 in Ludwigsburg an einem Lungenödem. Es könnte sein, dass das Epitaph ursprünglich dem Friedhof zugeordnet war, der sich um die Schlosskirche herum erstreckte. Der edle Hund kann durchaus ein Hofmops gewesen sein, darauf verweist einerseits die Tatsache, dass das Tier mit einem Standbild geehrt wurde, andererseits die Ausführung des Gedichts in verweis- und geistreichen Alexandrinern. Wie dem auch sei! Spätestens seit dem Mops-Jubiläum im Jahr 2017 kann man sich vor dem Bild des heroischen Hofmopses nicht mehr retten. Die Mopspralinen der Confiserie Ulli’s gibt es schon länger, auch der Mops-Wein des Weinguts Häußer hat Tradition. Die Rösterei „Von Herrmanns“ hat eine Espressomischung „Winnender Mops“ im Angebot. Auf eine Marketingaktion gehen die Mopsfiguren zurück, die man zuweilen noch in Geschäften und öffentlichen Einrichtungen sieht. Was leider zu wenig Beachtung findet, ist das Alexandrinergedicht auf dem Sockel der Figur.
Inschrift des Denkmals von 1733
So darf nach Deinem Tod hier dein Gedechtnus stehen
Mops, ausgehauener Mops! dis macht dein Hunds-Verstand,
Der sich mit smeichelnder Geschicklichkeith verband,
Und den so Herr als Knecht mit vieler Lust gesehen.
Du ruhst nunmero Mops von aller deiner Pein
Wie manchemrauhen Wort, wie manchem Nasenstübe
Mops mußtest du nicht stets hier unterworfen sein;
Doch lehrte dich dein Witz dies in Geduld ertragen
Und weil du Hofmops warst, so dientest du der Zeit
Dein holdes Mäulchen blieb bei seiner Freundlichkeit
Und jede Miene wies, was du nicht konntest sagen.
Nebst allem diesem warst du ungmein getreu
Und was wir Liebs und Guts von Hunden melden / können
Mit alle demwarst du o Mops geziert zu nennen.
Dies setzen wir hiermit dir statt der Grabschrift bey
Hat sich dein Hundsgeist längst zum Hundsstern hinge / schwungen
So hast du es verdient und bleibest unfertrungen;
Hast du den Cerberum zu deinem Kameraden
So hüte sich dein Stoltz vor Schimpf, vor Bis und / Schaden.
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Kommentar
Das Gedicht auf dem Epitaph folgt den Konventionen des lyrischen Totengedenkens; der sechshebige Alexandriner verleiht dem Text Gewicht und Leben. Zunächst wird die Funktion des Denkmals genannt: Es dient der Erinnerung. Nach dem Grundsatz, über den Verstorbenen nur Gutes zu sagen („de mortuis nil nisi bene“) folgt eine ausführliche Begründung, weshalb dieses besonderen Tiers gedacht werden soll. Es sei gelehrig gewesen, dabei aber anschmiegsam und geschickt. Das nötigt dem hochgestellten Herrn ebenso Bewunderung ab wie dem niedrigsten Knecht. Der Verstand („Witz“) geht sogar so weit, dass er Neckereien geduldig und freundlich erträgt. Kurzum, so fasst der Sprecher zusammen, was immer auch „Liebs und Guts“ von Hunden gesagt werden kann, auf den edlen, mit „o“ apostrophierten Mops trifft es zu. Deswegen ist der Hund im Hundeparadies, dem Hundsstern Sirius, völlig richtig und kann daraus nicht verdrängt werden (er bleibt „unfertrungen“). Für das Jenseits gibt der Sprecher der Hundeseele im letzten Reimpaar noch eine fürsorgliche Warnung mit vor dem dreiköpfigen Höllenhund: „Hast du den Cerberum zu deinem Kameraden / So hüte sich dein Stoltz vor Schimpf, vor Bis und / Schaden.“
Zwei weitere Mops-Gedichte: Balladen
Beide Balladen überliefert Gotthold Börner. Die erste Ballade ist undatiert, die zweite ordnet Börner dem Kriegsjahr 1915 zu. Offen ist, wer jeweils der Urheber der Texte ist. Die 24 Strophen sind Alexandriner mit einer überzähligen Senkung im vierten Fuß. Der Sprecher schildert zunächst die Helden, Prinz Eugen und Karl Alexander; ihre Erinnerungen gelten dem „Würtemberger Land“, insbesondere Schloss Winnenthal. Dann wird der Mops eingeführt und die Stürmung von Belgrad. Der Mops geht verloren und kehrt „[m]it kühnen mächtigen Sprüngen“ nach Winnenden zurück. In einem dramatischen Finale langt der wackere Mops zur Geisterstunde im Schloss an, die Mutter Karl Alexanders öffnet ihm – da stirbt der Hund. Durch einen beritteten Boten der alten Herzogin erfährt Karl Alexander bewegt von der Treue seines Hundes. Die letzte Strophe wiederum nimmt Bezug zum Epitaph.
Die zweite Ballade besteht aus neun Oktetten aus jambischen Dreihebern. Sie beginnt mi einem Literaturzitat aus dem Nibelungenlied, ohne die martialische Erhabenheit des ersten Texts zu erreichen. Die Handlung wird zügig und straffer entwickelt, der Mops geht auch nicht bei der Erstürmung von Belgrad verloren, sondern bei einem gewöhnlichen Ausritt. Auch hier trauert Karl Alexander um den Mops, aber ganz im Gegensatz zum furiosen Ende des „Türkenmopses“ erreicht das treue Tier Winnenden am frühen Morgen. Es verendet nicht sogleich, sondern wird „wie ein Prinz gehalten / Bis an sein selig End.“ In der Ballade von 1915 sendet der Herzog nicht bloß von ferne eine Träne fürstlicher Anteilnahme, sondern setzt dem Hund höchstpersönlich ein Denkmal. Der Schluss wiederum ähnelt der ersten Ballade: Auch hier dient das Epitaph dem Gedächtnis einer staunenden Nachwelt.
Text: Der Türkenmops von Winnental (undatiert, veröffentlicht 1923)
Text: Mopsballade, ohne Titel (1915)
Quellen
- Kirstein, Martin: Epitaph für einen Mops: Der Mythos des Mops von Winnenden - Eine historiographische Erzählung. Winnenden: Arte Liberalis, 2017
- Börner, Gotthold: Winnenden in Sage und Geschichte. Winnenden: Selbstverl., 1923