Walter Lachenmaier: Ein Winnender Zeitzeuge

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Walter Imanuel Lachenmaier kommt am 11.1.1920 in Winnenden als achtes Kind des Bäckermeisters und Gastwirts Gottlob Lachenmaier zur Welt. Seine Jugend verbringt er bis zur Lehre in Winnenden. Nach einer Ausbildung zum Schriftsetzer in Backnang wird er zum Militärdienst berufen und dient in Frankreich und Russland. Auf dem Rückzug fällt er in die Hände der Roten Armee und wird Kriegsgefangener. Erst 1945 kehrt er nach Winnenden zurück. Am 10.3.2015 stirbt Walter Lachenmaier hochbetagt. Beigesetzt wird er am 17.3. auf dem Waldfriedhof in Winnenden-Schelmenholz.

Verbindung zu Winnenden

Als einziger Zeitzeuge, dessen Erinnerungen an die NS-Zeit in Buchform vorliegen, ist Walter Lachenmaier für die Ortsgeschichte von großer Bedeutung. Insbesondere zum Dritten Reich kann Lachenmaier einige Lücken schließen, die durch die Beseitigung der Unterlagen der Ortsgruppe der NSDAP entstanden sind. Auch als Familienforscher trägt er bedeutende Kenntnisse zusammen, die er in mehreren Broschurbänden zur Geschichte der Lachenmaiers zusammenfasst.

Zum Buch

Nach eigener Aussage geht Lachenmaiers Teilautobiographie auf eine Anregung seines Pflegekinds zurück, das sich 1983 für die Kriegserinnerung Walter Lachenmaiers interessiert. Erste Aufzeichnungen entstehen jedoch bereits in der Vorkriegszeit. Lachenmaier schreibt als selbstkritischer Betrachter seiner Entwicklung – insbesondere die anfängliche Begeisterung für Hitlerjugend und SS begründet er, ohne sich zu rechtfertigen. Aus der Perspektive Lachenmaiers, der als Privatperson einen unverstellten Blick auf das Zeitgeschehen wirft, wird die Faszination vieler Zeitgenossen für die NS-Ideologie nachvollziehbar. Insbesondere die Schilderungen der Unterwerfungslogik im Führerstaat wird an vielen Stellen deutlich. Lachenmaier schildert seine wachsende Entfremdung von einem Apparat, für den Menschen nur Material sind. Besonders bei den Schilderungen aus Russland ist die Erschütterung Lachenmaiers spürbar. Was Lachenmaier in schwäbischer Kargheit und ohne Heldenpose schildert, sind weder eine schonungslose Abrechnung mit der Wehrmacht, noch sind sie Beichte oder Rechtfertigungsschreiben. Lachenmaier schildert Erlebnisse, wie sie viele überlebende Wehrmachtssoldaten und Kriegsgefangene nach Hause getragen haben. Nicht viele haben ihre Erfahrungen auch aufgeschrieben. Man muss Lachenmaiers Erinnerungen wohl schon deshalb zugutehalten, dass sie sich bei aller Selektivität um Ausgewogenheit bemühen. „Dafür oder dagegen!“ ist 2001 im Verlag von Manfred Hennecke in Remshalden erschienen, das Vorwort stammt von Gerhard Fritz, der als Regional- und Mittelalterhistoriker in Gmünd lehrt.

Zum Inhalt

Kindheit in Winnenden

Walter Lachenmaiers Autobiographie reicht von Lachenmaiers ersten Kindheitserinerungen in der Winnender Wagnerstraße 8. 1925 sieht er das Jubiläumsstück „Der grimmige Kommenthur“, beschreibt erste Schulerfahrungen mit Lehrer Stöffler und Rektor Rau. Mit dem Vater seiner Spielkameraden Hermann und Karl Löbich trifft er einen Kommunisten. Beim Spielen im Diebsturm finden die Kinder Waffen und eine Truhe – der NS-Bürgermeister Huber sieht jedoch keinen Bedarf, das Museum einzurichten, das der junge Lachenmaier ihm vorschlägt; als die Truhe später geöffnet wird, finden sich wertvolle Unterlagen zur Stadtgeschichte. Mit den Beschreibungen des Kriegs der Winnender Buben gegen die Höfener schließt er dieses Kapitel seiner Jugend. Die Nationalsozialisten gestalten auch Winnendens Freizeitleben nach ihren Vorstellungen: Bald ist der Eintritt in die HJ kaum mehr zu umgehen; zunächst tritt Lachenmaier jedoch dem „Scharnhost“ bei, der Jugendgruppe des „Stahlhelm“. Lachenmaiers Bruder Hermann trifft den Winnender Kommunisten Eugen Sannwald, dem wohl die Verbindung zu Ortsgruppenleiter Walter Gießer den Abschied vom Lager Heuberg ermöglicht. Vater Lachenmaier, gläubiger Methodist, versucht lange, den Eintritt seines Sohnes in die Hitlerjugend zu verhindern. Letztlich muss er der Staatsräson nachgeben.

Lehre und RAD

In Backnang beginnt der junge Lachenmaier eine Schriftsetzerlehre. Lachenmaier erinnert sich an den HJ-Führer Fritz Knauer, an die Weihnachtsfeier der HJ in der Paulinenpflege, an Ausflüge nach Bayern und ins Saarland, an einen Wettkampf gegen die Waiblinger. 1938 tritt Lachenmaier in die SS ein und übernimmt für einen Freund Beobachtungsasaufgaben, die ihn zum Nachdenken über einen Staat bewegen, der seine Bürger bespitzeln lässt. Auch einen jüdischen Nebensitzer hat er – Richard Zürndörfer gelingt es noch rechtzeitig, in die USA zu emigrieren. Auch die Vereidigungen irritieren Walter Lachenmaier: Warum darf über das KZ in Welzheim nicht gesprochen werden? Was geschieht mit den Kranken, die seine Schwester – Wäscherin in der Heilanstalt – in grauen Bussen wegfahren sieht? Am 1.4.1939 wird Lachenmaier nach Ettenheim beordert, zum RAD. Dort überrascht ihn der Kriegsausbruch. Er wird zu Schanzarbeiten eingeteilt und gerät wegen eines Gedichts über die französisch-deutschen Gemeinsamkeiten fast in Schwierigkeiten.

Militärdienst

Anfang Februar wird Walter Lachenmaier einberufen und wird nach der militärischen Grundausbildung Funktruppführer. In Frankreich dient Lachenmaier in Ay, Pocanncy und Sezanne, lernt eine Französin kennen. Schließlich wird Lachenmaier an die Ostfront verlegt. In Polen erhält er ein Paket von der Winnender „Soldatenmutter“ Marie Huzel. Über Jelnia stößt Lachenmaiers Heeresteil im russischen Winter Richtung Moskau vor. Nun erfährt er das ganze Elend des Feldzugs, wird angeschossen und kommt ins Lazarett. Nach einem überzogenen Heimaturlaub macht er in Russland den Führerschein. Nach weiteren Heimatbesuchen gerät er an die Front und wird nach einem Granateneinschlag im Schützengraben schwer verwundet. Als Lachenmaier schließlich wieder verwendungsfähig ist, ist die Rote Armee bereits auf dem Vormarsch. Also bleibt Lachenmaier auf dem Truppenübungsplatz in Münsingen, ehe er zwischenzeitlich als Ausbilder ins jugoslawische Bled beordert wird. Aus der Offiziersausbildung heraus kommt Lachenmaier erneut zum Fronteinsatz, mittlerweile ist die Rote Armee bis Sachsen vorgerückt. Erst das Kriegsende erlöst das letzte Aufgebot der Wehrmacht. Auf der Flucht gerät Lachenmaier in russische Kriegsgefangenschaft. Erst wird er als Verladearbeiter eingesetzt, ehe Lachenmaier nach Weißrussland deportiert wird, wo er in der Landwirtschaft arbeitet. Schließlich werden die Kriegsgefangenen ins besetzte Deutschland überstellt. Über Stuttgart erreicht er den Winnender Bahnhof – sein Gepäck: ein Pappkarton.