Die Stimme in Schauspiel, Vortrag und Rezitation
Hinweis
Wo Sänger, Sprecher und Schauspieler ausgebildet werden, ist Stimmtraining sehr wichtig. Für den Schulgebrauch und die persönliche Weiterentwicklung kann es hilfreich sein, unbegleitet an sich selbst zu arbeiten, wirkungsvoller ist aber die Begleitung durch professionelle Stimmbildner und Gesangslehrer. Nicht geschützt sind die Bezeichnungen Sprecherzieher und Stimmtrainer (Vocal Coach) – hier solltet ihr Qualifikation und Vorerfahrungen in Erfahrung bringen. Bei Problemen der Stimme, die medizinische oder psychologische Ursachen haben, ist ohnehin fachlicher Rat nötig.
Stimme
- Stimme: Unsere Stimmen sind individuell verschieden und verändern sich ständig. Wie wir klingen, hängt von unserer Geübtheit, unserer Lebensführung, unserem Zustand und nicht zuletzt von der Größe des Kehlkopfs und der Länge und Dicke unserer Stimmlippen ab. Aber nicht nur die Stimmlippen schwingen! Auch die Luft in unseren Resonanzräumen (Rachen, Mundraum, Rachen) gerät in Schwingung.
- Stimmlage: Unsere Stimmlage hängt davon ab, ob unsere Stimmlippen gespannt sind (hohe Töne) oder entspannt (tiefe Töne). Wenn wir ohne Anspannung sprechen, bedienen wir uns der Indifferenzlage. Die Indifferenzlage unserer Stimme ist individuell verschieden: Sie liegt wenige Töne über unserem untersten Ton im natürlichen Stimmumfang. Männer sprechen bei etwa 125 Hertz, Frauen bei 250 Hertz und kleine Kinder etwa 440 Hertz. Je nachdem, wie hoch (bis etwa 1000 Hertz) oder tief wir singen (bis etwa 40 Hertz), kann man uns einem bestimmten Register zuteilen.
- Stimmsitz: Beim Sprechen pendelt unsere Stimmhöhe im Umfang einer Oktav um einen Ton, je nach Stimmung und Sprechabsicht. Aus diesem Grund sollte eine mittlere Sprechstimme bevorzugt werden, während zu hohe und zu tiefe Stimmlagen zu vermeiden sind.
- Stimme im geschichtlichen Wandel: Früher waren bei Mädchen und Frauen höhere Stimmlagen üblich. Mittlerweile hat sich die Stimmhöhe stärker an die mittlere Stimmlage von Männerstimmen angeglichen.
- Stimmeinsatz: Beim Stimmeinsatz gehen die Stimmlippen aus einem schwingungslosen Zustand in die Phonationsstellung über. Sind die Stimmlippen noch leicht geöffnet, entsteht ein gehauchter Stimmeinsatz. Sind sie geschlossen, öffnet sie der Atemstrom mit einem Knacklaut und der feste Stimmeinsatz entsteht (coup de glotte). Beim weichen Stimmeinsatz öffnen sich die Stimmlippen und schwingen ohne jedes Geräusch.
- Dynamik: Beim Sprechen und Singen müssen wir mehr oder minder schnell unsere Tonhöhe verringern (Decrescendo) oder erhöhen (Crescendo). Diesen Tonhöhenverlauf bezeichnen wir als Dynamik.
- Stimmatmung: Unsere Stimme entsteht im Zusammenspiel von Atem und Stimmlippen. Das nennt man Phonation. Der Atem, der die Stimmlippen zum schnellen Schwingen bringt, ist der Phonationsatem. Die Stimmlippen schwingen dabei bis zu fünfhundert Mal in der Sekunde (reine Sinusschwingung). Günstig ist eine Atemtechnik, die Anspannungen der Atemmuskeln vermeidet. Eine solide Atemstütze gewährleistet in der Regel eine Kombination von Bauch- und Brustatmung.
- Haltung: Sinnvoll ist ein fester, ausgewogener, entspannter und aufrechter Stand. Der Kopf sollte leicht angehoben sein, um die Kehle nicht zu sperren, die Schultern senkt man ab und zieht sie etwas zurück.
Übungen zur Stimmbildung
Allgemeine Übungen
- Atem und Phonation: Lege dich auf den Rücken, vielleicht mit eine Nackenrolle. Atme ruhig ein und aus. Ersetze den Atem dann durch ein stimmhaftes „Haaaa“.
- Massage: Lass deinen Unterkiefer hängen. Massiere mit kleinen kreisenden Bewegungen deine Unterkiefermuskulatur (weit hinten, unterhalb der Ohren). Mache sanfte Kaubewegungen und schüttle deinen Unterkiefer sanft aus.
- Zungenübungen: Strecke die Zunge heraus, sodass sie zunächst U-Form annimmt. Ändere dann ihre Form durch die Betonung der Spitze. Fahre dann in deine rechte und in deine linke Backentasche. Senke die Zunge entspannt ab und sprich ein „aaaaaaa“.
- Resonanzübungen: Summe nach einem Hauchlaut in verschiedenen Tonlagen und ergänze dann ein A: „hmmmmmm-a“. Ertaste die Vibrationen an deinem Gesicht. Denke an ein köstliches Essen. Seufze aus und lass ein N ertönen. Halte je abwechselnd ein Nasenloch zu und spüre, wie sich das Summen von einer Gesichtshälfte zur anderen verlagert (Maskenresonanz). Erweitere das Summen zunächst in unterschiedliche Tonhöhen und lass es in den Brust- und Beckenraum gleiten. Stell dir dabei vor, wo deine Stimme gerade ist. Gehe dann zum Martinshorn über, indem du einmal höher und dann wieder tiefer summst.
- Gaumenübungen: Die Muskulatur von Gaumensegel und Zungengrund kannst du durch folgende Silbenfolgen üben: „nga-nga-nga“ und „ga-ga-ga“ (Zungengrund und Gaumensegel). Den Einsatz von Zunge und Zäpfchen übst du mit dem K-Laut: „ka-ka-ka“.
- Vokalübungen: Seufze aus auf „wa“, „wo“ und „wu“ und zuletzt „wunder-rrr-bar-rrr“.
- Stimmkraft-Übungen: Lass dich vornüber hängen. Atme langsam mehrfach stimmlos aus, dann auf „haaa“. Halte den Ton. Rufe dann etwas leiter „hei“. Atme ein – und atme auf „papapa“ aus, dann auf „päpäpä“. Rufe dann mehrfach hintereinander aus dem Atemzentrum heraus „hei, hei, hei“. Mach beim Ausatmen auf „hei“ oder „hopp“ Schlag- und Trittbewegungen, wie beim Kampfsport. Entspanne die Stimme durch ei Summen („hmmmm“).
- Ton halten: Atme ein. Dann entleere deine Lungen vollständig und versuche einen Ton zu halten.
- Seufzen: Seufze mehrmals. Ersetze dann den Atem deines Seufzens durch Stimmklang. Denke dabei an etwas Schönes. Klopfe dir dann beim Ausatmen auf die Brust.
- Lippenübungen: Fahre dir mit der Zunge über die entspannten Lippen. Ziehe sie kurz ein und grinse dann breit. Stoße deinen Atem durch deine entspannten Lippen – erst gleitend („Brrrrrrr“), dann stoßweise („Brrr, brrrr, brrrr!“). Ergänze dann ein summendes R („Brrrrrrrrmmmm“).
- Kerze: Sprich vor einer Kerze und beobachte, ob du ökonomisch mit deiner Atemluft umgehst.
Erweiterte Übungen
- Spiegel: Beobachte dich beim Sprechen vor dem Spiegel!
- Aufnahmen: Nimm dich mit dem Handy auf! Überlege dir, was du stimmlich verbessern kannst – oder diskutiere es mit einem Partner!
- Gähnen: Ausreichendes Gähnen vor dem Sprechen entspannt die Kiefermuskulatur.
- Flüstern: Texte werden geflüstert. Ein guter Lautgriff entlastet die Stimmlippen.
- Crescendo: Das Lesen (oder Vortragen) beginnt leise und wird immer lauter. Auch ein Decrescendo ist möglich.
- Tonhöhe-Variationen: Töne in hohen, mittleren und tiefen Lagen werden bewusst eingesetzt – zum Beispiel vom Partner vorgegeben.
- Litanei: Texte werden in monotoner Stimmlage vorgetragen, wie bei einer kirchlichen Litanei.
- Satzzeichen sprechen: Bei Fragen hebt sich die Stimme, bei Aussagen senkt sie sich, beim Zweifel und bei der Aufzählung bleibt sie in der Mittelage. Das lässt sich bewusst üben!
- Stimmvariationen: Wir sprechen Texte piepsig, durchdringend, klirrend, nasal, knödelig, kreischend, dumpf, volltönend, wohlig…!
- Rachenöffnung: Wir sprechen Texte mit weit geöffnetem Mund und vorgestülpten Lippen oder pressen ihn zwischen den Zähnen hervor.
- Näseln: Wir sprechen Texte näselnd, mit entspanntem Gaumensegel.
- Ton abnehmen: Wir imitieren die Stimmlage unseres Partners und geben dann eine eigene Phrase vor: immer im Wechsel!
- Koloratursprechen: Wir bleiben auf einer Silbe (etwa beim A von „ja“) und spielen verschiedene Melodien durch.
- Zungenbrecher: Wir sprechen Zungenbecher möglichst schnell und präzise.
Wie man seine Stimme pflegt
- Schreien schadet der Stimme auf Dauer genauso wie das Sprechen in zu tiefer oder zu hoher Tonlage.
- Auch Stress kann sich schädlich auswirken.
- Fehlhaltungen und davon ausgelöste Verspannungen können den Stimmeinsatz gleichermaßen beeinträchtigen.
- Rauchen und natürlich auch Passivrauchen schadet der Stimme.
- In überfüllten Räumen sollte man auf lautes Sprechen
- Häufiges Räuspern ist ebenfalls schädlich.
- Austrocknende Getränke (Kaffee, Schwarztee, Alkohol) erhöhen die Gefahr, dass die Stimme versagt.
- Guter und ungestörter Schlaf ist für die Stimmhygiene wichtig.
- Regelmäßiges Lüften und zurückhaltendes Heizen ist ebenfalls hilfreich.
- Gegen Allergien (Hausstaub, Pollen, Gräser) lässt sich wenig tun – außer den Kontakt mit Allergenen gering zu halten und eine Desensibilisierung durchzuführen.
- Erkältungskrankheiten und bestimmte Medikamente können sich gleichfalls nachteilig auswirken.