Deutsch-Abitur: Typische Mängel von Aufsätzen
Vorab: Ist Individualität erlaubt?
- „Inhaltliche Vollständigkeit ist nicht zu erwarten.“ (Sie schadet aber nicht.)
- „Individuelle Wege in Schüleraufsätzen sind möglich und nicht per se schlechter.“ (Solange der gewählte Weg den Leser sicher zum Ziel führt, ist die Lösung in Ordnung.)
- „Die Disposition lässt einen Gestaltungsspielraum.“ (Du musst dich nicht ans empfohlene Aufsatzschema der Lehrkraft halten, wenn dein Aufsatz dennoch funktioniert.)
Grundprobleme bei allen Aufsatztypen
Methodik und Strategie
- Es fehlt an vernünftigem Zeitmanagement. Du hältst dich viel zu lange an Nebensachen auf oder träumst herum.
- Du hast den Text nicht gelesen, bevor du mit der Erschließung beginnst.
- Du hast den Text nicht erschlossen, sondern machst das während der Reinschrift.
- Dein Konzept ist unbrauchbar. Die Disposition (Anordnung) des Konzepts muss deinen Aufsatz vorbereiten. Sonst ist die Gliederung deines Aufsatzes unklar.
- Du hast die Werke nicht gelesen. Das schränkt deine Wahlmöglichkeiten ein. Du hast keine Ausweichthemen.
- Du ignorierst die Operatoren oder übersiehst Teile der Arbeitsanweisung.
- Du macht etwas, was die Operatoren gar nicht verlangen, weil du das bei allen bisherigen Klausuren so gemacht hast.
- Im Text wird nicht deutlich, dass du machst, was die Operatoren fordern. Man spürt als Leser nicht, dass du gerade erörterst, kommentierst oder interpretierst.
- Es fehlt an Standardformulierungen.
- Du verwendest plumpe Floskeln („Nachdem ich X, soll nun im Folgenden Y“).
- Du hast die Belegregeln nicht im Kopf und verwechselst ständig Konjunktiv I und II.
- Du machst zu lange und zu komplizierte Sätze, in denen du dich verhedderst.
- Du machst keine Absätze.
- Vor lauter Details geht der rote Faden verloren. Du setzt keine Schwerpunkte.
- Es fehlt an Abstraktion. Du bleibst zu nah am Text und auf der Handlungsebene.
- Es fehlt an klaren Überleitungen.
- Dein Stil ist blumig, ironisch oder salopp.
Einleitung
- Die Hinführung ist zu ausführlich, du brauchst zu lange, bis du beim Thema bist.
- Die Einleitung ist ein Aufhänger, führt nicht zum Thema.
- Du kannst die Basisinformationen nicht korrekt oder nicht vollständig wiedergeben („in Suhrkamp“, „unter dem Verlag Suhrkamp“). Bei der literarischen Erörterung fehlt ein Hinweis auf den Außentext.
- Bei Literatur-Aufgaben: Du verwechselst die Werkausgabe („in diesem Reclam von 2017“) mit der Textgrundlage (z. B. Hermann Hesses „Der Steppenwolf“ von 1927).
- Du definierst die Textsorte nicht und verwendest Ersatzbegriffe wie „die Kurzprosa“, „das Buch“, „die Lektüre“, „das Reclamheft“).
- Du machst schon im ersten Satz haarsträubende (sprachliche) Fehler.
- Die Sätze werden unübersichtlich, weil zu viele Informationen in einem Satz stecken.
- Die Einleitung stockt, weil du Informationen nachreichst, die an anderer Stelle fehlen.
Einzelne Aufsatzformen
Texterörterung und Textanalyse
- Du verwechselst in der Aufregung Texterörterung und Textanalyse.
- Dein Analyse- und Erörterungsteil bleibt weit hinter der strukturierten Inhaltsangabe zurück.
Strukturierte Inhaltsangabe
- Belege fehlen.
- Du zitierst dauernd wörtlich.
- Wenn du wörtlich zitierst, stimmt das Zitat technisch nicht!
- Dein Zitat passt nicht in den Satz!
- Du erzählst den Text nach (im Präteritum).
- Du strukturierst den Text nicht, sondern gibst ihn ohne jede Zusammenfassung wörtlich.
- Die Thesen werden nicht deutlich (Tipp: Als These benennen und in eine Reihenfolge bringen!)
- Der Zusammenhang der Thesen wird nicht klar.
Hauptteil: Erörterung
- ES wird nicht klar, wo du pro und wo du contra argumentierst.
- Du differenzierst nicht. Zu jeder Behauptung hast du nur eine Begründung.
- Du bist einseitig. Dir relativierst nie, beziehst keine anderen Perspektiven ein.
- Deine Beispiele haben mit deiner Oma oder deinen Kumpels zu tun.
Literarische Erörterung
Analyse des Außentexts
- Du verstehst „Außentext“ als eigenständige Textsorte („Mustermanns Außentext erschien 1982 in…“).
- Der Außentext wird nicht eingeführt (Angabe zur Urheberschaft).
- Die Aspekte werden eingeführt (mit Zitat), aber nicht erläutert, Leitbegriffe werden nicht definiert.
- Du erläuterst die Aspekte zwar, aber ohne Bezug zum Außentext.
- Du greifst die falschen Aspekte heraus.
- Du übersiehst wichtige Aspekte.
- Du greifst zweimal denselben Aspekt auf.
- Die Aspekte werden nicht als Aspekte ausgewiesen.
- Es ist nicht klar, wie die Aspekte zusammenhängen.
Hauptteil
- Du bleibst nur im Bereich der Handlung und beziehst weder Zeitgeschichte noch Gattungsfragen ein.
- Es fehlt an der nötigen Distanz zum Außentext.
- Deine Argumentation beschränkt sich auf die Aspekte des Außentexts, du bringt keine eigenen Argumente ein, kein eigenes Fach- und Weltwissen.
- Du beziehst dich kaum auf den Text und bringst zu wenig Beispiele.
- Beim Vergleich: Beide Texte werden nicht aufeinander bezogen. Du vergleichst gar nicht, sondern stellst nur nebeneinander.
Schluss
- Dein Ergebnis passt nicht zur Erörterung.
- Du prüfst nicht abschließend, inwieweit der Außentext letztlich stimmt.
Interpretationsaufsätze
Hauptteil
- Du hast keine Deutungshypothese.
- Du orientierst dich nicht an deiner Deutungshypothese, belegst sie nicht.
- Du ignorierst den Titel des Texts.
- Form ist dir wichtiger als Inhalt.
- Es wird nicht klar, wie der Text sich entwickelt.
- Dir geht die Zeit aus, deine Interpretation wird zum Schluss hin dünn.
- Dir fehlt wichtiges Fachwissen (Erzähltechnik, Stilmittel).
- Du arbeitest Stilfiguren heraus, machst aber nicht klar, was sie bewirken.
- Dein Aufsatz wird von der Last unwichtiger Beobachtungen erdrückt.
- Du paraphrasierst nur, was im Text steht. Warum-Fragen bleiben unbeantwortet.
- An keiner einzigen Stelle gehst du auf abweichende Deutungsmöglichkeiten ein.
- Du schreibst völlig an der Zeitgeschichte des Texts vorbei oder, noch schlimmer, du erklärst ihn mit Epochenwissen, das nicht zum Text passt.
- Du zitierst falsch, zu viel, zu wenig. Dein Zitat passt nicht in den Satz oder wird nicht erläutert.
Nur beim Gedichtvergleich
- Du verwechselst Sprecher und Erzähler.
- Der Gedichtvergleich fällt gegenüber der Einzelanalyse zu kurz aus.
- Du vergleichst Banalitäten (Strophenlänge, Anzahl der Wiederholungen, etc.).
- Du vergleichst gar nicht, sondern stellst nur nebeneinander.
- Es ist nicht klar, was dein Vergleich mit dem gemeinsamen Thema beider Texte zu tun hat.
Nur bei der Interpretation von Kurzprosa
- Du erkennst nicht, wenn dir eine Parabel vorliegt.
- Aus der strukturierten Inhaltsangabe (Präsens) wird eine Nacherzählung (Präteritum).
- Du gehst nicht auf die Textmuster ein (Erzählszene, Handlungsbericht, Bescheibung...).
- Du gehst nicht auf die Erzählzeit ein oder deutest sie nicht (Raffung, Dehnung, ...).
- Du vergisst die Erzählanalyse.
- Bei der Erzählanalyse vergisst du, den Erzähler näher zu charakterisieren und deine Befunde zu belegen.
- Du vewechselst den auktorialen Erzähler mit einnem personalen Erzähler.
- Du deutest den Text nur als Dokument eines historischen Geschehens (das du dann auch noch falsch datierst).
Schluss
- Du lieferst jetzt nur Epochenklischees und verallgemeinerndes Blabla.
- Du bewertest den Text.
Materialgestütztes Verfassen von argumentierenden und informierenden Texten
- Der Titel fehlt oder ist zu blass.
- Du verfehlst die Zielgruppe.
- Du schreibst informierend, obwohl der Operator Argumentation verlangt – und anders herum.
- Du übertreibst es mit dem Einnehmen der Schreibrolle.
- Du trennst nicht zwischen Tatsachen (Indikativ) und Meinungen (Konjunktiv).
- Du trennst nicht zwischen fremden und eigenen Meinungen.
- Deine Definition wirkt wie ein Lexikoneintrag, nicht wie eine Erläuterung des Sachverhalts für dein Publikum.
- Dein Kommentar verfehlt die Stilhaltung, die für eine erfolgreiche Übermittlung deiner Position hilfreich wäre.
- Du erklärst nicht, was am Sachverhalt wichtig und problematisch ist.
- Dein Kommentar wirkt ungegliedert, das Material scheint zufällig zusammengeworfen.
- Deine Position bleibt unklar, wird nicht differenziert und begründet.
- Du verwendest die Materialen gar nicht oder zu einseitig.
- Du gehst nicht auf die Materialien ein, sondern referierst sie nur.
- Du führst die Materialien falsch ein – zum Bespiel durch Zitat oder Angabe des Materials („Beispiel“ (Z. 8) – „Beispiel“ (Mat. 3)).
- Es gibt keine Überleitungen, die Aspekte stehen isoliert nebeneinander.
- Es ist unklar, warum du für die Aspekte gerade diese Reihenfolge gewählt hast.
- Du sprichst nur über Alltägliches, ohne auf gesellschaftspolitische, historische, ethisch-philosophische, kulturelle Aspekte einzugehen.
- Du bleibst bei der Wiedergabe der Materialien, ohne sie zu erläutern oder zu problematisieren.
- Es fehlt ein klares Fazit.
- Du formulierst umständlich, weitschweifig und ohne persönliche Note.
- Du schreibst durchgängig im Präteritum, anstelle Präsens und Perfekt den Vorrang zu geben.
- Deine eigenen Argumente kann man kaum von den Argumenten aus den Materialien unterscheiden.
- Du schweifst vom Thema ab, verlierst den roten Faden.