Literatur und Theater: Die praktische Prüfung

Eine praktische Prüfung im Basisfach Literatur und Theater kannst du mit einem Vorsprechen im Theater vergleichen – mit dem Unterschied, dass du dich nicht nur als Schauspielerin präsentierst, sondern auch als Regisseurin und Regieassistentin, Bühnenbildnerin, Kostümbildnerin…! Dein ganzes praktisches Theaterwissen ist gefragt.

Der Ablauf

Für eine praktische Prüfung gelten folgende Regeln:

  • Vier Wochen vorher bekommst du ein Textkonvolut. Das kann eine Sammlung von Gedichten oder Monologen sein, es kann aber auch ein ganzes Stück sein.
  • Zwei Wochen hast du nun Zeit für die Erschließungsphase, dich ins Stück einzulesen und Hintergrundinformationen zum Autor, zum Stück und zur Inszenierungsgeschichte zu sammeln.
  • Zwei Wochen vorher wird dir eine bestimmte Aufgabe Sie bezieht sich auf einen Text aus diesem Textkonvolut. In der Regel erfährst du nun auch, um welche Uhrzeit du welchen Raum zur Verfügung hast.
  • In der nun folgenden Werkphase konzipierst du deinen Auftritt, arbeitest am Text, entwickelst die Inszenierung und machst dir Gedanken zum Nachgespräch.
  • Du kannst den Raum, sofern er frei ist, vorher ausstatten und – gegebenenfalls – auch beleuchten.
  • Wenn dein Auftritt gekommen ist, wird die Prüfungskommission den vorbereiteten Raum betreten. In der Regel ist das dein Fachlehrer und ein Fremdprüfer von der Kooperationsschule (jedenfalls jemand, den du nicht kennst).
  • Nun hast du etwa 10 Minuten Zeit für deinen Auftritt.
  • Es folgt ein etwa fünfminütiges Nachgespräch zur Reflexion deines Auftritts.

Die Rahmenbedingungen

  • Deine Bühne: In aller Regel hast du keine Bühne zur Verfügung, sondern ein stinknormales Klassenzimmer. Du stehst also oft ebenerdig zur Prüfungskommission. Wenn deine Schule eine Aula ihr Eigen nennt, wirst du eventuell dort inszenieren. Selbst aussuchen darfst du dir den Raum aus Gründen der Vergleichbarkeit nicht.
  • Deine Requisiten: Alles, was du benötigst, musst du (nach Absprache) selbst mitbringen. Es ist in Ordnung, wenn du einen Aufbauhelfer verpflichtest. Plane großzügig Zeit für den Aufbau ein – wenn du die Bühne vorher benötigst, muss dein Fachlehrer die Raumverwaltung deiner Schule ansprechen.
  • Schauspiel und Regie: Du selbst! Du musst auch auftreten, reine Regiearbeiten sind nicht möglich. Aus Gründen der Vergleichbarkeit dürfen Aufgaben außerdem nicht so konzipiert sein, dass du deine besonderen Talente (Gesang, Tanz…) einsetzen kannst.
  • Dein Ensemble: Du wirst oft allein auf der Bühne stehen, dein Ensemble kann dir dort nicht helfen. Tandemprüfungen sind möglich, aber selten – prinzipiell steht es dir aber frei, weitere Schauspieler einzubeziehen. Nebenbei: Profischauspieler darfst du auch nicht verpflichten.
  • Die Kritiker: Im Prüfungsraum anwesend sind außerdem dein Fachlehrer und der Prüfungsvorsitzende.
  • Dein Intendant: Den Fachlehrer hat in der Prüfungsphase nicht mehr die Möglichkeit, dich zu beraten. Umso wichtiger ist es, in der Vorprüfungsphase intensiv Kontakt zu halten und offene Fragen zu klären. Übrigens kann der Fachausschussvorsitzende die Prüfungsaufgabe auch ändern lassen, wenn er sie für ungeeignet hält.
  • Dauer: In der Regel dauert deine Aufführung insgesamt zehn Minuten. Du solltest die Zeitvorgaben nicht wesentlich unter- oder überschreiten.

Die Aufgabenstellung

Die konkrete Aufgabenstellung muss einige Qualitätskriterien erfüllen, die du kennen solltest. Der Facherlass stellt dazu fest: „Beide Prüfungsbestandteile erstrecken sich auf alle drei Anforderungsbereiche. Die Aufgabenstellungen ermöglichen jeweils Leistungen, deren Beurteilung das gesamte Notenspektrum umfasst. In beiden Prüfungsteilen müssen jeweils Inhalte aus unterschiedlichen Kurshalbjahren und unterschiedliche Kompetenzbereiche abgedeckt sein.“

  • Kontextualisierung: Im Bereich „Kontextualisierung“ wird zunächst erläutert, welchen inhaltlichen Rahmen die Aufgabe hat. Typisch sind Hinweise zum Stück, zu den Vorgaben der Inszenierung, zur Zielsetzung und zum Publikum.
  • Aufgabenstellung: Im Bereich „Aufgabenstellung“ erfährst du, was genau du tun sollst: „Gestalten Sie eine Szene“ ist der häufigste Operator, oft begleitet durch Zusätze wie „Beziehen Sie das Spiel mit Requisiten ein“. Auch theatertheoretische Hinweise sind möglich: „Wenden Sie dabei Mittel des Schauspiels nach Stanislawski oder des Epischen Theaters oder performative Mittel an.“
  • Textgrundlage: Hier wird festgelegt, auf welche Textgrundlage sich deine Inszenierung stützt. Hier ist die Vielfalt groß, es kann sich um lyrische Texte handeln, aber auch um Monologe oder Auszüge aus Romanen.
  • Organisatorischer Rahmen: Hier erfährst du, welche Dauer für deine Inszenierung vorgesehen ist, welche Ausstattung du einplanen kannst und welche Form der Prüfung dich erwartet. Es sind Einzelprüfungen und Gruppenprüfungen möglich.

Bewertung

Dein Fachlehrer (und der Prüfungsvorsitzende) bekommt genaue Vorgaben, nach welchen Kriterien deine Aufführung zu bewerten ist. Deine Fachlehrkraft entwirft die Aufgaben. Das bedeutet: Sie wird den Unterrichtsverlauf einbeziehen und sich vor allem auf Methoden stützen, die im Verlauf der Probenarbeit eine wichtige Rolle gespielt haben. Deine Praxisleistung und das Nachgespräch bilden eine Einheit, es gibt keine Vorgaben zur Gewichtung. Im Wesentlichen kommt es darauf an, deine Szene umfassend zu erläutern, Zusammenhänge herauszuarbeiten und auch abweichende Lösungen aufzuzeigen. Es versteht sich, dass auch deine rhetorischen Fähigkeiten das Ergebnis beeinflussen.

Beachte, dass im Vergleich mit der mündlichen Prüfung der praktische Teil doppelt gewichtet wird.

Aufbau des Erwartungshorizonts

  • Bildungsplanbezug: Hier muss dein Fachlehrer angeben, welche Inhalte aus dem Bildungsplan (http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GYM/LUT) sich in deiner Aufführung widerspiegeln sollten.
  • Hinweise: Im Bereich „Hinweise“ wird zuerst die Aufgabenstellung noch einmal umrissen.
  • Bewertungskriterien zur fachpraktischen Prüfung: Nun legt dein Fachlehrer fest, welche Aspekte zur Prüfung des Gesamtergebnisses herangezogen werden.
  • Bewertungskriterien des anschließenden Gesprächs: Auch zum Prüfungsgespräch gibt es Vorgaben.
  • Operationalisierung: In Übereinstimmung mit den EPA (Einheitlichen Prüfungsanforderungen) legt dein Fachlehrer dar, wann deine Prüfung mit „11 NP“ zu bewerten ist.
  • Konkrete Lösungshinweise: Zuletzt erläutert der Fachlehrer, wie du mit der konkreten Aufgabe umgehen solltest und was im Nachgespräch von dir erwartet wird.

Bewertungskriterien zur fachpraktischen Prüfung

Deine fachpraktische Prüfung wird vor allem nach fünf Kriterien bewertet:

  1. „die Erkennbarkeit einer intentionalen und bewussten Szenengestaltung“: Damit ist gemeint, dass deine Inszenierung einer bestimmten künstlerischen Absicht unterworfen ist, die sich in allen Elementen der Aufführung widerspiegelt.
  2. „die Wahl und Verwendung theatraler Mittel und Techniken“: Hier zeigst du, dass du mit den Gestaltungsmitteln des Theaters umgehen kannst – zum einen mit schauspielerischen Mitteln (Gestik, Mimik, Proxemik, Rhythmus, Rezitation…), zum anderen durch die Ausstattung (Kostüm, Bühne, Maske…).
  3. „die individuellen darstellerischen Leistungen in Bezug auf die Rollengestaltung“: Hier geht es vor allem darum, inwiefern du deine Rolle glaubhaft und nuanciert darstellen kannst.
  4. „die Eigenständigkeit der szenischen Lösung“: Eigenständig ist deine Lösung dann, wenn du aus dem Text mehr machst, als nur die dürren Vorgaben des Wortlauts umzusetzen – hier kannst du also zeigen, was du dem Text hinzuzufügen hast.
  5. „gegebenenfalls das Zusammenspiel mit anderen Spielern in Bezug auf Figurenkonstellationen“: Falls es sich um eine Gruppenprüfung handelt, wird geprüft, ob du andere Figuren anspielst und ins Spiel einbeziehst, ob Kontraste deutlich werden, ob auf Anschluss gespielt wird.

Bewertungskriterien des anschließenden Gesprächs

Das Prüfungsgespräch wird sich vor allem an drei Kriterien orientieren:

  1. „die Erläuterung der angewendeten Lösungsstrategien“: Hier solltest du differenziert begründen können, wie du bei der Konzeption der Szene vorgegangen bist, welche Lösungswege du gewählt hast und welche Alternativen verworfen; auch Schwierigkeiten in der Konzeptionsphase solltest du thematisieren.
  2. „die Begründung der spezifischen Aufgabenlösung“: Hier geht es vor allem um deine Inszenierung selbst: Was hast du aus den Vorgaben gemacht? Warum? Welche Wirkung wolltest du erzielen?
  3. „die Verwendung theaterspezifischer Fachterminologie“: Wenn du über deine Inszenierung laut nachdenkst, solltest du natürlich auch Fachbegriffe einsetzen – Begriffe wie „Rollenbiographie“ oder „V-Effekt“ solltest du auch erläutern können.

Deine Herangehensweise

Erschließungsphase

Nachdem dir das Textkonvolut zugewiesen wurde, beginnt deine Arbeit am Text.

  1. Mach dich durch intensive Lektüre mit dem Text vertraut.
  2. Verschaffe dir einen Überblick, wie das Konvolut zusammengestellt ist: Welche Elemente eignen sich vor allem für eine Inszenierung?
  3. Recherchiere, aus welchem Kontext die Texte stammen.
  4. Finde heraus, welche zeitgeschichtlichen Hintergründe du kennen solltest.
  5. Wichtig ist auch die Inszenierungsgeschichte: Wurde das Stück schon aufgeführt? Gibt es eine bestimmte Aufführungstradition? Welche Aufführungen sind besonders bekanntgeworden?

Konzeptionsphase

Nachdem du die konkrete Aufgabe in Händen hältst, beginnt nun die künstlerische Arbeit am Text.

  1. Zielsetzung: Schau dir den Text gut durch. Welche Themen erkennst du? Wie sollen sie aufs Publikum wirken? Was macht sie aktuell? Was macht sie relevant?
  2. Sondierung der szenischen Möglichkeiten: Überlege dir, welches Potenzial der Text für die szenische Arbeit bietet: Wie ist der Text aufgebaut? Erkennst du eine bestimmte Dramaturgie im Aufbau? Wo erkennst du Schauspielvorgaben? Wo liegt der Einsatz von Requisiten nah? Welche weiteren Hinweise zur Ausstattung erkennst du? Wenn dir ein ganzes Drama vorliegt, kannst du auch eine Rollenbiographie zu deiner Figur verfassen. Bei der Texterschließung kann es sinnvoll sein, Subtexte zu ergänzen und festzuhalten, was unausgesprochen zwischen den Zeilen steht.
  3. Kreative Erweiterung: Gerade bei kurzen Texten (Gedichten, Monologen) wirst du den Text erweitern müssen. Deine Zugaben liegen zum einen im szenischen Bereich (Mimik, Gestik), zum anderen kannst du den Text kompositorisch erweitern und eigene Textteile hinzufügen oder den Text umschreiben. Es empfiehlt sich, den Text als Rahmen zu verwenden, den Wortlaut also nicht völlig aufzugeben – das ist gerade bei Gedichten wichtig.
  4. Komposition: Nachdem du nun zahlreiche Ideen gesammelt hast, wie du den Text auf die Bühne bringen kannst, geht es an die gestalterische Arbeit an der Konzeption. Dafür ist ein Zeitplan in Sekunden hilfreich.
  5. Rollenarbeit: Sobald der Inszenierungsentwurf vorliegt, solltest du ihn lernen und dabei Feinheiten der schauspielerischen Gestaltung ausprobieren – Emotion, Atemtechnik, Gestik, Mimik.
  6. Probenphase: Nun hast du ein fertiges Stück vorliegen. Die Probenarbeit beginnt! Es ist sinnvoll, Freunde und Verwandte einzubeziehen, um deine Inszenierung zu überprüfen. Eine Generalprobe schließt deinen Probenprozess ab.

Dein Auftritt

Am Vortag solltest du dich organisatorisch vorbereiten:

  • Habe ich den richtigen Prüfungstermin im Blick?
  • Weiß ich, wo die Prüfung stattfindet?
  • Kenne ich die räumlichen Voraussetzungen?
  • Ist der Wecker gestellt?
  • Liegt mein Text bereit?
  • Sind alle Requisiten und Kostüme vorhanden?
  • Habe ich einen Aufbauhelfer?
  • Gibt es Transportmöglichkeiten?

Am Prüfungstag können folgende Überlegungen hilfreich sein:

  • Habe ich genug gegessen und getrunken?
  • Kann ich Techniken der Selbstberuhigung anwenden, um dein Lampenfieber zu dämpfen?

Bei der Prüfung gehst du so vor:

  • Begrüße die Prüfungskommission!
  • Begib dich an den Ausgangspunkt der Inszenierung!
  • Signalisiere durch ein Nicken, dass du nun anfängst!
  • Lass dich einklatschen und begib dich in die Rolle!
  • Wenn du fertig bist, geh nicht einfach von der Bühne, sondern verlasse die Rolle und nimm nach einer stillen Pause Blickkontakt zur Prüfungskommission auf. Zeige durch ein Nicken, dass deine Inszenierung beendet ist.

Nun wirst du zum Reflexionsgespräch eingeladen. Es umfasst idealerweise drei Bereiche: Schauspiel, Dramaturgie und Inszenierung. Du solltest also begründen können, warum du bestimmte theatrale Mittel gewählt hast (Schauspiel), wie du mit der Textvorlage umgegangen bist (Dramaturgie) und welche Erarbeitungsphasen dein Projekt durchlaufen hat (Inszenierung). Sinnvoll ist es, wenn die Prüfungskommission nicht eigene Impulse liefern muss.

  • In der Regel werden dir jetzt unverbindliche Freundlichkeiten zu deiner Inszenierung mitgeteilt.
  • Dann wirst du gebeten, den Konzeptionsprozess vorzustellen und deine Inszenierungspraxis zu erläutern. Grundlage des Gesprächs ist die konkrete Aufgabenstellung.
  • Wenn du nichts zu sagen hast (was natürlich nicht geschehen sollte), dann ergeben sich schon hier die ersten Fragen.
  • In der Regel schließen sich Fragen zu deiner konkreten Inszenierung an.
  • Danach wirst du verabschiedet, damit sich die Prüfungskommission über deine Note Gedanken machen kann.
  • Nach einigen Minuten wirst du wieder hereingerufen. Du darfst selbst entscheiden, ob dir die Prüfungskommission deine Note unmittelbar mitteilen soll und ob du eine kurze Begründung hören möchtest.
  • Danach wirst du verabschiedet und der praktische Prüfungsteil ist beendet.