Die steigernde lineare Problemerörterung
Was ist eine lineare Problemerörterung?
linear |
steigernde |
Problem- |
Erörterung |
Es wird nur eine Seite vertreten – entweder das Dafür (pro) oder das Dagegen (contra). |
Die Argumente werden so ausgerichtet, dass die Erörterung mit dem schwächsten Argument beginnt und mit dem stärksten endet. |
Die Erörterung tritt für die Lösung eines bestimmten Problems ein. Zu Grunde liegt eine Entscheidungsfrage, die sich mit ja oder nein beantworten lässt. |
Es wird regelgerecht argumentiert. Auf Behauptungen folgen Begründungen und auf diese Belege. |
Warum sollte man erörtern können?
- Jeder Redner, ob Politiker oder Journalist, benötigt die Fähigkeit, Argumente sinnvoll aufzubauen und wirksam anzuordnen.
- Auch in vielen Alltagssituationen benötigt man gute Argumente, um sich in Konflikten zu behaupten.
- Fast jede wissenschaftliche Arbeit erfordert einen lückenlosen und überzeigenden Argumentationsgang.
- Wer selbst gut erörtern kann, verbessert auch seine Fähigkeit zur Textanalyse.
- Schüler sind künftige Staatsbürger, die mit ihrer Stimmabgabe über das Wohl oder Wehe vieler anderer mitentscheiden – sie müssen eine gute von einer mangelhaften Argumentation unterscheiden können.
Die Arbeitsschritte im Einzelnen
- Analyse der Themenstellung. Was wird verlangt? Meist heißt es: „Nimm Stellung!“ – Das bedeutet, entweder für oder gegen eine Aussage zu argumentieren, nur pro oder nur contra zu sein. Lege dich fest!
- Motivation. Warum ist das Thema wichtig? Begründe in Stichworten!
- Materialsammlung. Sammle mithilfe der dir bekannten Methoden möglichst viele Argumente.
- Auswahl. Wähle nun die geeigneten aus. Vier oder fünf sollten für diesen Anlass genügen.
- Ordnung. Ordne sie nach ihrer Wichtigkeit für den Argumentationsgang. Das wichtigste Argument kommt zuletzt!
- Ausarbeitung der Argumente. Füge zu jedem Argument (mindestens) eine schlüssige Begründung hinzu (in Stichworten).
- Belege und Beispiele. Überlege dir, wie du dein Argument mit einem Beispiel veranschaulichen kannst.
- Reinfassung. Schreibe die Einleitung – beginne mit einem überraschenden, bildkräftigen, einprägsamen Einstieg. Verfahre dann, wie oben beschrieben!
- Überschrift. Finde eine Überschrift, die zugleich neugierig macht und dein Thema vorstellt!
- Korrektur. Bevor du die fertige Erörterung abgibst, lies dir deinen Aufsatz noch einmal durch. Stimmen Stil, Rechtschreibung, Grammatik, Form? Steht dein Name auf dem Arbeitspapier? Ist das Datum richtig? Wo holpert es, wo wäre die Überleitung zu glätten? Wo ist der Satzbau zu kompliziert? Wo stimmen die Fakten nicht? Wo hapert es mit der Logik?
Checkliste: Vorbereitung des Aufsatzes (Konzept)
Aufgabenblatt: Ich habe ...
- die Operatoren hervorgehoben („Erörtere“, „Nimm Stellung“)
- für das Thema wichtige Angaben hervorgehoben
- meinen Namen und ggf. das Datum ergänzt
Formalitäten: Ich habe …
- das Blatt mit „Konzept“ überschrieben
- das Datum ergänzt
- meinen Namen notiert
- den Vermerk „Klassenarbeit Nr. …“ eingetragen
Einleitung: Ich habe …
- die Leitfrage notiert
- problematische Begriffe definiert
- den Sachverhalt dargestellt
- die Konfliktlage dargestellt (mindestens ein Gegenargument)
- die eigene Position mit „PRO“ oder „CONTRA“ gekennzeichnet
Hauptteil: Ich habe ...
- mehr als drei Argumente gefunden
- die Argumente gewichtet (*, **, ***)
- die drei stärksten Argumente ausgewählt (Klammern der weniger starken)
- die Argumente in steigernder Reihenfolge nummeriert
- zu jedem Argument mindestens eine Begründung ergänzt
- zu jeder Begründung mindestens einen Beleg ergänzt
Schlussteil: Ich habe ...
- das zentrale Argument notiert
- mindestens zwei Maßnahmen vorgestellt
- Folgen zu dieser Maßnahme angegeben
Zum Aufbau einer linearen Problemerörterung
Überschrift
Die zweigeteilte Überschrift macht neugierig, nennt die Textsorte („lineare Problemerörterung“) sagt aber auch ganz klar, worum es geht – Gründe zu finden für die Auswanderung in die USA!
Sollten deutsche Fachkräfte in die USA auswandern? Eine lineare Problemerörterung
Einleitung
Der Einstieg gelingt am besten mit einem Sachverhalt, einem Bild (oder z. B. einem Zitat), das euer Thema veranschaulicht. Jetzt sieht der Leser das Problem vor sich, ist interessiert, möchte wissen, wie es weitergeht. Im Anschluss wird angedeutet, warum dieses Thema den Leser interessieren müsste, inwiefern es ihn direkt betrifft: die zunehmende Bedeutung des (dringenden) Problems, seine Aktualität, der Umstand, dass das Problem im Alltag spürbar ist. Außerdem wird erklärt, worin das Problem eigentlich liegt. Der Sachverhalt, denn man erörtern will, sollte man knapp darstellen; dazu gehört auch die Definition der Leitbegriffe. Weil in jeder Diskussion mindestens zwei Parteien einander gegenüberstehen, sollte man die Befürworter und Gegner nennen. Die eigene Position schließt sich an. Nun wird der Leser auf die Leitfrage in der Überschrift hingelenkt: Welche Gründe gibt es dafür, in die USA auszuwandern?
Tausende qualifizierter Fachkräfte haben in den letzten Jahren die Bundesrepublik verlassen, um sich in den USA eine neue Existenz aufzubauen. Fast jeder kennt auch Familien, die wenigstens eine Zeitlang im Ausland leben und schließlich scheitern. Wer auswandert, entscheidet sich dafür, dauerhaft in einem anderen Land zu leben und unter Umständen auch dessen Staatsbürgerschaft anzunehmen. Die Gegner des Auswanderns verweisen auf dessen Risiken, die Befürworter betonen die wirtschaftlichen Chancen. Ich bin der Auffassung, dass es sich für viele lohnen könnte, auszuwandern. Ist eine Auswanderung in die USA tatsächlich sinnvoll?
Erörterungsteil
Der Erörterungsteil beginnt mit einer Vorstellung der Argumente, deren Zahl man nennt. Dann folgen die einzelnen Argumentationsschritte, die sprachlich so verknüpft werden, dass eine Steigerung erkennbar ist: „Zum einen ..., zum anderen ...“, „Überdies“, „Deshalb...“. Die Behauptungen werden mit Argumenten begründet: „Y, weil X“, „Y, also X“! Die Argumente sind allesamt stark – unwiderlegbar, passend zur Argumentation, gültig....! Sie sind nach ihrer Wichtigkeit und ihrer logischen Abfolge geordnet: erst will man eine gute Stelle, dann sollte man gut verdienen, nicht zuletzt will man gut leben! Bei jedem Argument verdeutlicht ein Beispiel, dass die Begründung tatsächlich zutrifft.
Es sind vor allem drei Gründe, die für eine Auswanderung sprechen: bessere Berufschancen, ein höheres Einkommen und ein komfortableres Leben im Zielland.oder Beleg dem Leser, weshalb das Argument nachweisbar zutrifft.
[ARGUMENT 1] [Behauptung] Zum ersten sind die Einstellungschancen in den USA wesentlich besser, [Begründung] weil gut ausgebildete Arbeitskräfte dort sehr gefragt sind. [Beleg] Die meisten Auswanderer erhalten beispielsweise schon vor der Ausreise feste Verträge, die ihnen Sicherheit für die Familienplanung geben!
[ARGUMENT 2] [Behauptung] Überdies ist ihr Einkommen ungleich höher, [Begründung] weil die Steuerlast in Amerika geringer ist. [Beleg] Während ein gut verdienender Ingenieur in Deutschland die Hälfte seines Verdiensts an den Staat verliert, gibt er in den USA nur ein Drittel davon ab.
[ARGUMENT 3] [Behauptung] Deshalb und wegen der niedrigen Lebenshaltungskosten ist der Lebensstandard von Fachkräften in Nordamerika höher. [Begründung] Die Immobilienpreise liegen weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. [Beleg] Wer sich hier eine Zweizimmerwohnung leisten kann, wohnt dort in einem eigenen Haus.
Zusammenfassung
Nun werden die Argumente in einem Satz zusammengefasst. Dieser Textteil gewährleistet, dass sich dein Leser an alle Argumente erinnert und bereit ist für deine Schlussfolgerungen.
Bessere Berufschancen, ein höheres Einkommen und ein komfortableres Leben – es ist kein Wunder, dass sich so viele Experten für einen Umzug in die USA entscheiden.
Schluss
Die Wichtigkeit des Problems wird noch einmal unterstrichen („hält weiter an“). Der Blick wird auf Folgen in der Zukunft gerichtet. Vernachlässigte Fragen und Aspekte kommen zur Sprache. Der Leser wird motiviert, etwas zu tun! Der Einstieg wird aufgegriffen!
Der Trend zur Auswanderung – so viel ist sicher, hält weiter an. Was aber ist mit den Teilen der Bevölkerung, die nicht auswandern wollen oder können? Wie können die Folgen für die heimische Wirtschaft gemildert werden? Diese Fragen müssen wir klären. Nachgedacht werden müsste auch darüber, wie man Fachkräften die Auswanderung erleichtern kann. Wenn Jahr um Jahr tausende Deutsche ihr Glück in den USA suchen, sind wir moralisch verpflichtet, sie zu unterstützen.
Die sprachliche Form des Erörterns
A. Behaupten
- Behauptung: Was?
- Bsp.: Auswandern zahlt sich finanziell aus.
B. Begründen
- Begründung: Weswegen?
- Bsp.: In einigen Ländern erhalten qualifizierte Auswanderer höhere Gehälter.
- Begründende Formulierungen: denn, da, weil, deshalb, daher, deswegen, infolgedessen, daraus ergibt sich, folglich, somit, konsequenterweise, also, demnach, dies lässt sich mit … begründen…
C. Belegen
- Beleg: Wodurch, woran?
- Bsp.: Beispielsweise verdienen Physiotherapeuten in den USA deutlich mehr als in Deutschland.
- Belegende Formulierungen: Die Erfahrung lehrt, dass … / Dies wird an … deutlich / Das zeigt sich vor allem an … / Das lässt sich an … leicht beweisen / Nachweisen lässt sich das an … / So kommt es häufig vor, dass … / Besonders … / In vielen Fällen … / Beispielsweise … / Zum Beispiel … / Belegen lässt sich dies mit … / Dies zeigt sich daran, dass … / Dieser Umstand belegt, dass … / Die Forschung zeigt … / Neuere Erkenntnisse zeigen … / Aus der Literatur ergibt sich ... / Zahlreiche Experten vertreten die Ansicht …
D. Steigern
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Musteraufsatz
Sollte man das Erörtern im Deutschunterricht der achten Klasse unterrichten? Eine linear steigernde Problemerörterung
Kaum ein Achtklässler kann sich dem Erörtern entziehen. Immerzu muss behauptet, begründet und belegt werden, nicht nur in Deutsch, auch in Geschichte und Gemeinschaftskunde. Wer erörtert, der legt dar, aus welchen Gründen er eine strittige Entscheidung befürwortet oder ablehnt. Während Befürworter des Erörterns dessen Wichtigkeit für das Studium und das Berufsleben betonen, üben dessen Gegner Kritik an der tatsächlichen Unterrichtspraxis. Ist es wirklich nötig, diese Fähigkeit im Deutschunterricht zu schulen? Aus meiner Sicht ist es falsch, Schülern der achten Klasse das Erörtern beizubringen.
Es sind vor allem drei Argumente, die gegen das Erörtern sprechen. Zum einen sind viele Lehrer unzureichend ausgebildet, zum anderen fehlen geeignete Lehr- und Lernmaterialien, drittens überfordert diese Aufsatzart viele Schüler in Klasse 8.
Zunächst fällt auf, dass viele Lehrer das Erörtern nicht sachgemäß unterrichten können. Das liegt vor allem daran, dass sie in der Ausbildung selbst nicht gelernt haben, wie man folgerichtig argumentiert und stichhaltig belegt. Beispielsweise scheitern selbst gestandene Studienräte regelmäßig an der Unterscheidung von Begründung und Beleg. Es kommt hinzu, dass es Lehrern an eigener Schreibpraxis mangelt. Viele Deutschlehrer haben nach aktuellen Studien noch niemals selbst eine Erörterung verfasst.
Außerdem ist das Lehrmaterial oft unzureichend, da Schulbücher der achten Klasse nur sehr oberflächlich zeigen, wie man schlüssig argumentiert. Das lässt sich an vielen aktuell an deutschen Schulen eingesetzten Deutschbüchern zeigen. Sie sind oft weder aktuell, noch sind sie übersichtlich, vor allem aber fehlen Beispielaufsätze.
Überdies verfügen Schüler der achten Klasse noch nicht über das nötige Hintergrundwissen für das Erörtern, weil entsprechende Kenntnisse erst in höheren Klassen vermittelt werden. Beispielsweise kennt ein Achtklässler nicht alle Gesetzestexte, die über die Zulässigkeit von Werbung Auskunft geben, wenn er über ein Werbeverbot an der Schule schreiben müsste.
Warum ist es also problematisch, Achtklässlern das Erörtern beizubringen? Die mangelhafte Ausbildung ihrer Lehrer, ungeeignete Materialien und das fehlende Hintergrundwissen der Schüler verhindern, dass Achtklässler das Erörtern im Deutschunterricht wirklich lernen. Besonders das Fehlen geeigneter Materialien fällt ins Gewicht, weil Schüler brauchbare Modelle benötigen, um sich weiterzuentwickeln. Deswegen trete ich dafür ein, das Erörtern künftig nicht mehr zu unterrichten. Stattdessen könnte man das mündliche Diskutieren üben und Streitregeln einüben. Das entspricht eher dem Entwicklungsstand der Schüler und lässt sich mit wenig Aufwand leisten. Dann wäre der Deutschunterricht der achten Klasse vergnüglicher und würde weniger als Belastung empfunden.