Komik im Theater
Komik ist eine wichtige Zutat für gutes Theater – nicht nur in der Komödie, wo wir sie erwarten, sondern auch in der Tragödie, beispielsweise bei Shakespeare. Schon Aristoteles (im 5. Buch seiner „Poetik“) und Horaz befassen sich mit der Bühnentauglichkeit des Humors in der Komödie und im Satyrspiel; seither befassen sich bedeutende Theoretiker mit der Entstehung und der Wirkung des Komischen. Diese Entwicklung kann hier nicht nachgezeichnet werden. Schon die Literatur zur Komödie mit ihren Spielarten (Comedy of Errors, Comedy of Manners, Tragikomödie, Posse, Farce) ist uferlos. Beschränken wir uns auf die wesentlichen Grundfragen zum Komischen im Theater.
Wie entsteht auf der Bühne Komik?
Komisch wirkt auf der Bühne…
- wenn Bühnenfiguren unkonventionelle Lösungen für praktische Probleme finden,
- wenn Charaktere Tics haben oder in bestimmten Verhaltensmustern feststecken,
- wenn Handlungen gegen soziale Normen verstoßen, insbesondere, wenn rangniedrige Figuren hochrangige Figuren übertölpeln,
- wenn Schurken bestraft werden,
- wenn überraschende Ereignisse eine länger bestehende Spannung plötzlich auflösen,
- wenn die Zuschauer aufgrund ihres Wissensvorsprungs den Fauxpas einer Bühnenfigur voraussagen können,
- wenn sich Figuren missverstehen,
- wenn Figuren Bewegungsstereotypen zeigen,
- wenn übertrieben wird, in Ausdruck, Bewegung oder Rhetorik,
- wenn Charaktere sich für andere ausgeben oder einen Rollentausch vornehmen,
- wenn Figuren eine Bedrohung kreativ abwenden,
- wenn Bühnenfiguren andere Bühnenfiguren imitieren,
- wenn Personen oder Werke aus der Welt des Zuschauers parodiert werden,
- wenn Witze erzählt werden oder Sprachspiele entstehen.
Welche Funktion hat Komik?
- Komik löst Spannungen und ermöglicht den Aufbau eines neuen Spannungsbogens.
- Komik lenkt Sympathien: Wir sympathisieren mit Charakteren, die uns zum Lachen bringen.
- Komik verändert Machtverhältnisse. Wer andere zum Gespött macht, bringt ihre Machposition ins Wanken.
- Komik schafft Abwechslung und unterhält das Publikum.
Welche Formen der Komik gibt es auf der Bühne?
Ausgehend davon lassen sich folgende Formen der Komik unterscheiden:
- Charakterkomik: Ein Darsteller reizt durch seine Interpretation eines kauzigen Charakters zum Lachen. Von der Charakterkomik lebt besonders die Charakterkomödie, die der eine einzelne komische Person im Vordergrund steht (etwa in „Der Schwierige“ von Hugo von Hofmannsthal oder in „Der Geizige“ von Jean-Baptiste Molière).
- Typenkomik: Figuren sind leicht wiedererkennbar und verhalten sich voraussehbar und stereotyp. Das trifft besonders zu auf die Commedia dell’arte und auf das Kasperlspiel zu.
- Situationskomik: Ein Ereignis geschieht zur Unzeit – unverträgliche Handlungen finden (zufällig) zur gleichen Zeit statt. Typisch sind a) Verwechslungen, b) mechanische Wiederholgen und c) vertauschte Rollen. Insbesondere die Verwechslungskomödie lebt von Situationskomik. Musterbeispiele für Situationskomik finden sich in Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug“.
- Sprachkomik: Sprachkomik entsteht durch Doppeldeutigkeit, witzige Pointen und Wortspiele. Sie findet sich schon bei Plautus und Shakespeare, besonders aber im Konversationsstück, beispielsweise in „The Importance of Being Earnest“ von Oscar Wilde.
- Slapstick: Das Publikum lacht über die Ungeschicklichkeit einer Bühnenfigur, beispielsweise im Umgang mit einem Gegenstand. Slapstick ist in erster Linie wortlos und visuell. Slapstick-Momente finden sich ebenfalls schon bei Shakespeare, zum Prinzip erhoben werden sie in der Farce und im Kasperlspiel. Einen Höhepunkt erlebt die Slapstick-Komik in der frühen Filmkomödie (Buster Keaton, Charles Chaplin, Harold Lloyd, Stan Laurel und Oliver Hardy, bei Karl Valentin und den Marx Brothers).
- Running Gag: Ein Rede- oder Handlungsschema wird im Verlauf der Handlung immer wieder aufgegriffen. Strukturbildend ist der Running Gag etwa in „Dinner for One“, dem bekannten Sketch von Heinz Dunkhase, in dem der Butler James elfmal über einen Tigerkopf stolpert.
- Parodie: Eine bekannte Person, ein Genre, Musikstück oder ein Text werden karikiert, verzerrt, vergröbert wiedergegeben. Dabei muss das Publikum das jeweilige Vorbild kennen.
Bibliographie
- Wirth, Uwe (Hg.): Komik: ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag, 2017
- Ahnen, Helmut von: Das Komische auf der Bühne: Versuch einer Systematik. München: Utz, 2006 (Theaterwissenschaft; 6)
- Gehrcke, Werner: Rezeptur der Bühnenkomik: Theorie und Praxis des Komischen auf der Bühne. Hamburg: disserta Verlag, 2012
- Erdmann, Eva: Der komische Körper: Szenen - Figuren – Formen. Bielefeld: Transcript-Verl., 2003
- Bartels, Dieter: Das Clowntheater-1-x-1: Zehn große Schritte Richtung Schauspiel und Komik. Planegg: Buschfunk, 2012 (2. Aufl.)
- Müller, Gottfried: Theorie der Komik: Über die komische Wirkung im Theater und im Film. Würzburg: Triltsch, 1964
- Bachmaier, Helmut (Hg.): Texte zur Theorie der Komik. Ditzingen: Reclam, 2005 [ND 2017]
- Braun, Michael; Jahraus, Oliver; Neuhaus, Stefan (Hgg.): Komik im Film. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2019
- Glasmeier, Michael (Hg.): Anarchie des Lachens: Komik in den Künsten. München: Schreiber, 2011
- Gernhardt, Robert: Was gibt’s denn da zu lachen? Kritik der Komiker, Kritik der Kritiker, Kritik der Komik. Frankfurt, M.: Fischer-Taschenbuch-Verl., 2008