Der Körper auf der Bühne
Auf der Bühne wirkt selbst der unbewegte Körper durch seine bloße Präsenz. Für Schauspieler sind ihre Körper entscheidend für ihre Möglichkeiten auf der Bühne, begrenzen ihre Aussichten auf bestimmte Rollen und eröffnen ihnen bestimmte Spielchancen. Theatrale Körperinszenierungen sind eingebunden in die kulturelle Praxis des Umgang mit dem Körper – schon deswegen kann Theater helfen, hinter die Fassaden unserer täglichen Inszenierung des Leib zu blicken.
Der Körper in alltäglicher Inszenierung
In vielfacher Hinsicht trägt unser Körper dazu bei, wie wir uns präsentieren:
- Bewusst oder unbewusst zeigen wir uns von unserer besten Seite, unterstreichen unsere Attraktivität;
- Wir inszenieren unsere Körper durch Kleidung und eine bestimmte Bewegungskultur;
- Wir versuchen, gesellschaftlichen Schönheitsvorstellungen oder bestimmten Gruppennormen zu entsprechen;
- Der Wunsch, seinen Körper zu formen, kann krank machen – der Körper dient manchmal als Medium eines Hilferufs;
- Wir zeigen in Übereinstimmung mit unseren kulturellen Normen, wie wohlhabend und einflussreich wir sind;
- Wir passen unsere Umgebung an unsere Körper an – von der Schreibtischhöhe bis zur Wahl des Autos.
Die Bedeutung des Körpers auf der Bühne
Der Körper ist auf der Bühne von großer Bedeutung:
- Als Medium der Körpersprache ist er das zentrale Ausdrucksmittel des Schauspielers;
- Er ist zugleich Handlungsträger;
- Während wir uns oft als Persönlichkeiten wahrnehmen, macht uns der Anblick unserer Körper bewusst, dass wir auch Naturwesen sind;
- Er ermöglicht durch intensives Körpertraining Einfühlung in die Rolle;
- Seine Belastbarkeit und Beweglichkeit definieren abhängig von Training und Lebensalter die Grenzen des Schauspielers und die Wahl der Rolle;
- Er sendet im Zusammenspiel mit Kostüm und Stimme unbewusste Signale ans Publikum, kann abstoßen oder erregen;
- Er definiert (äußerlich) unser Geschlecht;
- Gestik, Mimik und Stimme gehen vom ganzen Körper aus;
- Zugleich können Körperausdruck und Text in einem Spannungsverhältnis stehen;
- Das Verhältnis von Körper und Stimme kann Spannung aufbauen (kräftiger Körper – piepsige Stimme);
- Körperformen (Gesamtgestalt und Proportionen) bestimmen über die Besetzung;
- Die Körpergröße definiert (optisch) das Verhältnis zu anderen Mitspielenden;
- Er kann zum Perkussionsinstrument werden;
- Er verdeckt Mitspielende und Elemente der Bühnendekoration;
- Nicht alle Bewegungen und Körperreaktionen sind bewusst steuerbar - der Körper kann auf der Bühne auch zum Störfall werden.
Prinzipien der Körperarbeit
- Ausgangspunkt der Rollenarbeit ist Vertrautheit mit dem eigenen Körper;
- Dazu gehört auch Selbstakzeptanz – wer seinen Körper nicht annehmen kann, wird in seinen Ausdrucksmöglichkeiten stark eingeschränkt sein;
- Darüber hinaus sind anatomische Kenntnisse hilfreich;
- Haltungen und Gesten werden von der neutralen Haltung aus entwickelt;
- Private Gesten können in die Rolle integriert werden, können den Schauspieler jedoch auch bei der Rollenarbeit beeinträchtigen;
Pflege des Körpers
- Aufgrund der Intimität des Ensemblespiels sollten Schauspieler besonderen Wert auf Körperhygiene legen (Zahnhygiene, Geruch);
- Die Beweglichkeit des eigenen Körpers bedarf besonders im höheren Alter ständiger Übung (Yoga, Tai-Chi, Sport, Krafttraining, Gymnastik);
- Die Arbeit auf der Bühne stellt hohe Anforderung an die körperliche Fitness – insbesondere Kraft und Kondition müssen trainiert werden;
- Angesichts solcher Ansprüche ist eine gesunde Ernährung sinnvoll: Viel Gemüse, viel (pflanzliches) Eiweiß, viel Wasser, möglichst unverarbeitete Lebensmittel, Verzicht auf Zucker und stark zuckerhaltige Nahrungsmittel.
Übungen
- Selbsterkundung: Betrachtet euch nackt vor dem Spiegel; setzt einen Handspiegel ein und lernt euren Körper kennen.
- Strecken: Atmet ein und streckt euch zur Decke; atmet langsam aus und lasst dabei die Arme sinken.
- Körperwahrnehmung: Legt euch hin und stellt euch vor, eure Körperteile fangen einzeln an zu kribbeln, wenn euer Spielpartner euch mit dem Zeigefinger anstößt.
- Wackelnde Windmühle: Lasst zuerst die Handgelenke kreisen, dann die Arme, schließlich die Hüften und den Kopf.
- Körpergespräche: Stellt euch gegenüber auf. Lasst eure Körperregionen kommunizieren: Bauch, Kopf, linker Arm, ..! Haltet Blickontakt.
- Roboter: Stellt euch vor, euer Partner kann durch Knopfdruck mit den Zeigefinger eure Muskeln aktivieren.
- Baum: Geht ins Freie. Stellt euch vor, ihr seid eine Blattknospe, die sich soweit wie möglich dem Licht zuwendet und entfaltet. Beginnt mit zusammengekauerter Haltung und auf der Brust überkreuzten Armen.
- Einstreichen: Stellt euch vor, ihr seid eine Statue, die der Körper ganz mit Farbe bestreicht (die erotischen Zonen sind bereits gestrichen).
- Luftballonballett: Haltet Luftballons mit allen Körperteilen in der Luft (oder nur mit Knien und Ellbogen);
- ITR-Gymnastik: Probiert die wesentlichen Bewegungsrichtungen eures Körpers aus: Inklination der Wirbel eurer Wirbelsäule, Translation der Schultern und des Kopfes, Rotation des Beckens.
- Bewegungsanalyse: Geht ins Freie. Zerlegt einen sportlichen Vorgang in seine Einzelszenen, wie bei einer Stroboskop-Aufnahme.
Bibliographie
- Fischer-Lichte, Erika (Hg.); Fleig, Anne: Körper-Inszenierungen: Präsenz und kultureller Wandel. Tübingen: Attempto, 2000
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