Horst Obleser: Psychoanalytiker und Mythograph

Horst Obleser kommt 1939 in Südmähren, im damaligen Sudetenland, zur Welt. Als Fünfzehnjähriger besucht er das Gymnasium in Weil der Stadt und beginnt sich mit Freud, Graphologie und Goethes „Faust“ zu befassen. 1957 entdeckt er in der Bibliothek des Stuttgarter Amerika-Hauses das Werk von C. G. Jung. In Würzburg nimmt er ein Studium der Medizin auf. Nach vier Semestern bricht er das Studium ab und schreibt sich in Tübingen im Fachbereich Psychologie ein, wo er von Wolfgang Loch und Reinhart Lempp gefördert wird. Seine Frau Gudrun, die als gebürtige Kallenberg aus Winnenden stammt, lernt er 1960 kennen. Noch vor dem Universitätsabschluss unterschreibt er einen Vertrag beim Caritasverband für Ausbildung als Psychoanalytiker am „Institut für Tiefenpsychologie und analytische Psychotherapie e. V.“. 1969 beginnt er seine Lehranalyse und übernimmt bald darauf die Leitung der Erziehungsberatungsstelle der Caritas. 1971 begegnet er Hanscarl Leuner, dem Begründer des Katathymen Bilderlebens, und wird 1973 Gründungsmitglied der „Gesellschaft für katathymes Bilderleben“, von der er sich später wieder entfernt. 1975 wird Obleser Dozent am Jung-Institut und vertritt das Institut in der Ständigen Konferenz für analytische Kinder- und Jungendliche-Psychotherapeuten. Zwei Jahre später verlegt er seine eigene Praxis von Bad Cannstatt nach Stuttgart. 1985 wird Obleser S den Ausbildungsleiter des Instituts. 1998 baut der Beratungsstelle „Refugio für traumatisierte Flüchtlinge“ auf. Bis heute ist Obleser als Dozent tätig. Horst Obleser ist der Vater des Schulgründers und Verlegers Lorenz Obleser (*1966) und des Psychologen und Neurowissenschaftlers Jonas Obleser (*1975).

Bezug zu Winnenden

Eine erste Praxis, eingerichtet nach dem Umzug nach Winnenden im Jahr 1969, kann Obleser zunächst mangels Patienten nicht halten. Dennoch bleiben die Oblesers in Winnenden und gehören zu einer wachsenden Gruppe progressiver Bürger, die Winnendens kulturelle Entwicklung vorantreiben. Obleser ist in der Friedensbewegung aktiv und beteiligt sich beim Lädles-Treff, einem alternativen Kulturzentrum. Ab 1982 praktiziert er wieder in Winnenden. 

Werk

Oblesers Werk umfasst neben seinen berufsbezogenen Arbeiten drei mythographische Bücher zu Odin, Gilgamesch und Parzival, die über eine bloße Nacherzählung der jeweiligen Mythen weit hinausgehen. Als Psychoanalytiker schafft Obleser durch die Einbeziehung tiefenpsychologischer Deutungen ein Verständnis für die in Mythen verschlüsselten innerseelischen Vorgänge. Dennoch lassen sich Oblesers „Odin“, der „Gilgamesch“ und der „Parzival“ auch als reich bebilderte und gut erzählte Einführung in die Welt des Epos und seiner Symbolik nutzen. Insbesondere „Odin: Ein Gott auf der Couch“ ist ein recht umfassendes und zugleich kohärentes Handbuch der Götterwelt aus den Sagas und der Edda. Insbesondere Namensregister und bildhafte Grafiken schaffen Überblick. Obleser stellt dabei auch Bezüge zu anderen Mythenkreisen her und stützt sich dabei auf die großen Namen der kulturwissenschaftlichen Mythenforschung – auf Mircea Eliade, Joseph Campbell und James Frazer, aber auch auf die Grimms und andere Mythensammler des 19. Jahrhunderts. Sowohl im Fall Odins, aber auch (und erst recht) bei Parzival und Gilgamesch interpretiert Obleser den Entwicklungsgang der Charaktere vor dem Hintergrund der Anschauungen C. G. Jungs. Zum anderen schreibt Obleser auch als Psychoanalytiker über seinen eigenen Berufstand. Als langjähriger Therapeut mit eigener Praxis und Dozent an der „Stuttgarter Akademie für analytische Psychotherapie und Tiefenpsychologie“ verarbeitet Obleser seine Erfahrungen zu einer kritischen Reflexion über die Grenzen und Möglichkeiten der tiefenpsychologischen Praxis.

Bibliographie

  • Diplompsychologe und Psychoanalytiker in freier Praxis
  • Acht Jahre lang Leiter einer Psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche.
  • Sieben Jahre Ausbildungsleiter am Psychoanalytischen Institut „Stuttgarter Gruppe“ e.V. (an der Stuttgarter Akademie).

Werk

  • Obleser, Horst: Erlebt, erlitten und erfahren: Fragmente aus dem Arbeitsleben eines Psychoanalytikers. Winnenden: Obleser Publizistik (Edition Marktrstraße)
  • Obleser, Horst: Ausgewählte Vorträge und Vorlesungen. Stuttgart: Psychoanalytisches Institut Stuttgart e.V., 2009
  • Obleser, Horst: Parzival auf der Suche nach dem Gral: Tiefenpsychologische Aspekte der Gralslegende. Leinfelden-Echterdingen: Bonz, 1997
  • Obleser, Horst: Parzival: Ein Initiationsweg und seine Bedeutung. Krummwisch: Königs Furt, 2000
  • Obleser, Horst: Odin - ein Gott auf der Couch. Waiblingen: Stendel, 1993
  • Obleser, Horst: Gilgamesch: Ein Weg zum Selbst. Waiblingen: Stendel, 1998
  • Obleser, Horst: Odin: Psychologischer Streifzug durch die germanische Mythologie. Waiblingen: Stendel, 2002
  • Obleser, Horst: Vorwort, zu Kübler, Roland: Die Sagen um Merlin, Artus und die Ritter der Tafelrunde: nach alten Quellen neu erzählt. Waiblingen: Stendel, 1988
  • Obleser, Horst: Stirb und Werde - Die Bedeutung der Angst in der Bewusstseinsentwicklung. In: Angst - Schrei nach Leben, hrsg. v. Ursula Schulz. Waiblingen: Stendel, 1997
  • Obleser, Horst: „... Vater sein dagegen sehr“. In: Väter ... es ist, als wüssten sie nichts von ihrer Kraft, hrsg. v. Ursula Schulz. Waiblingen: Stendel, 1997
  • Obleser, Horst: Beiträge zu: Wörterbuch der Analytischen Psychologie, hrsg. v. Lutz und Anette Müller. Düsseldorf: Walter, 2003