Grundfunktionen

Wozu gelangen Beschreibungen in Texte?

Die Bildbeschreibung als Speicher des Wissens. Kunstwerke werden sprachlich so erfasst, dass sie wieder herstellbar sind, in ihrer eigentlichen Gestalt und nach ihrem ursprünglichen Zweck. Dieses Darstellungsziel ist für erzählte Kunstwerke nicht vorrangig, wenngleich auch erzählte Bauwerke und Kunstdinge nicht selten nachgeschaffen wurden. Ein bekanntes Beispiel ist die Burg Lichtenstein bei Urach, angeregt durch den gleichnamigen Roman Wilhelm Hauffs.

Die Bildbeschreibung als Werkzeug der Wissenschaft. Kunstwerke werden auf die Bedingungen ihrer Herstellung, auf ihre Form und ihre Stofflichkeit befragt. Besonders als Mittel der Kunstwissenschaft kann eine Beschreibung darauf angelegt sein, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen.

Die Bildbeschreibung als Mittel der Deutung. Die Beschreibung dient dem Zweck, mögliche Betrachter über denkbare Ansätze der Deutung zu unterrichten, ihm mitzuteilen, wie ein Kunstwerk sehen und zu begreifen sei. Der letzte Zweck der Deutung ist es, den Betrachter in den Stand zu versetzen, seine Deutung eines Kunstwerks auf andere Kunstwerke zu übertragen und sich mit anderen Betrachtern auszutauschen.

Die Bildbeschreibung als Übungsform. Kunstbeschreibungen werden zum Zwecke der Redeschulung verfasst, geben dem Redner Gelegenheit, sein sprachliches Können zu beweisen. Schon die Eikones Philostrats könnten als Muster für rhetorische Übungen gedient haben, und noch heute werden im Schulaufsatz Bildgeschichten übungshalber in Worte gebracht.

Die Bildbeschreibung als Bekenntnis im Wettstreit der Künste. Bildbeschreibungen sind Stellungnahmen im paragone, im Wettstreit der Künste. Wettstreit gibt es in der Kunst nicht allein zwischen Verfechtern der Farbe und Anwälten der Linie. Wettstreit gibt es auch zwischen Bildhauern und Malern, Malern und Dichtern. Beschreibungen und Gemälde desselben Gegenstands können Versuche sein, die Möglichkeiten der eigenen Kunstform herauszustellen und ihre Grenzen zu überschreiten. Nicht selten sind Vertreter anderer Künste herausgefordert, nun ihrerseits die Vorzüge ihrer Gestaltungsmittel zu unterstreichen. Maler könnten es unternehmen, Geschichten zu erzählen, Dichter können versuchen, die Vollständigkeit des Seheindrucks durch genaue Wiedergabe des Sichtbaren zu erreichen. Maler können versuchen, das Unsagbare darzustellen, Dichter erfinden Undarstellbares. Beides fordert die jeweilige Geschwisterkunst heraus.

Die Bildbeschreibung als Ersatz des Bildes. Kunstbeschreibungen ersetzen Abbildungen, wo die Wiedergabe von Bildern unmöglich oder unsinnig ist. Lange ist die Bebilderung eines Bands so teuer, dass viele Schriftsteller auf den Einsatz von Bildern verzichten. Erst mit dem Aufkommen der Reisephotographie, Bierbaums Yankeedoodlefahrt belegt es, entfällt jede Notwendigkeit, Schilderungen unbewegter Gegenstände einzubinden.

Die Bildbeschreibung als Hilfe zur Belehrung. Die Vermittlung von Lehrsätzen wird anhand einer Bildbeschreibung vorgenommen. Allegorien laden förmlich ein zur Grenzübertretung zwischen beschreibender und darstellender Kunst. So umstritten die These von der Armenbibel auch ist: allegorische Darstellungen auf Altarblättern und Kirchenfenstern mögen zumindest gelegentlich auch in den Wortteil der Predigt überführt worden sein.