Glossar

Apodemiken, die

Reisehandbücher, Werke über die Kunst des Reisens, enthaltend Ratschläge und Regeln für Reisende, Betrachtungen der Reisegefahren und des Gewinns am Reisen, hygienische und diätetische Empfehlungen.

Lit.: Kutter, Uli: Der Reisende ist dem Philosophen, was der Arzt dem Apotheker. Über Apodemiken und Reisehandbücher. In: Bausinger 1991, S. 38-47. - Justin Stagl: Die Methodisierung des Reisens im 16. Jahrhundert. In: Brenner 1989, S. 140-177

giro d'Italia (der)

Italienrundreise, vor allem im Zeitalter der Kavaliersreise; der Verlauf erscheint oft standardisiert, je nach Herkunftsland des Reisenden.

Lit.: Maurer, Michael: Italienreisen - Kunst und Konfession. In: Bausinger 1991, S. 221-228. - Meier, Albert: Von der enzyklopädischen Studienreise zur ästhetischen Bildungsreise. Italienreisen im 18. Jahrhundert. In: Brenner 1989, S. 284-305

Claude-Glas, das

Konvexspiegel mit brauner Tönung, die dem reisenden Maler oder Zeichner die Motivsuche erleichtern.

Grand Tour, die

frz. / engl. 'Große Rundfahrt'. Erziehungs- und Bildungsreise für die Heranwachsenden beiderlei Geschlechts, vorwiegend der Jungen. Begleitet wurden sie oft von einem eigens dazu verpflichteten, möglichst erfahrenen, gewandten, mehrsprachigen, vielseitig gebildeten Hofmeister. Ihr Ziel war, a.) die Einübung standesgemäßen Betragens, der sog. conduite (Galanterie und Benehmen), b.) Erlernen der europäischen Hofsprachen (Französisch, Italienisch, Spanisch), c.) Übung in den Kavaliersdisziplinen (Reichsgeschichte, Abstammungskunde, Staatskunde, Rechtswissenschaft, Mathematik und angewandte Geometrie, Architektur und Festungsbau), d.) Erwerb ritterlicher Fertigkeiten, der sog. Exercitien (Tanzen, Reiten, Fechten, Ballspiel), e.) die Vervollkommnung der geistigen und kommunikativen Fähigkeiten (Studia, Conversation, Raisonnement). Formen: a.) Fürstenreise, b.) Prinzenreise, c.) Hofreise. Reiseverläufe: a.) norddeutscher Adel: zunächst England, dann Frankreich und Italien, zuletzt Wien; b.) süddeutsche Adelige: erst Italien, dann Frankreich, zuletzt England und die Niederlande. Ziele nach Ländern: a.) Italien = Antike und vergleichende Staatskunde, b.) Frankreich = Eleganz, Mode, Geselligkeit, c.) Westeuropa = Technik und Wissenschaft. Zeugnisse: Apodemiken, Postverkehrstabellen, Kartenwerke, Topographien, Verhaltenslehrbücher, Komplimentierbücher, Zeremoniellschriften, Ritterlexika, Tagebücher, Passierscheine, Rechnungslisten, Empfehlungsschreiben, Pässe, Inschriftenlisten.

Lit.: Siebers, Winfried: Ungleiche Lehrfahrten. Kavaliere und Gelehrte. In: Bausinger 1991, S. 48-52. - Ridder-Symoens, Hilde de: Die Kavalierstour im 16. und 17. Jahrhundert. In: Brenner 1991, S. 197-223

Journalière, die

Schnelle Kutschverbindung zwischen Berlin und Potsdam, die 1754 eingerichtet wurde und täglich verkehrte.

Meilenscheibe, die

Gerät zur Ermittlung der Entfernung zwischen Orten; von den gegeneinander verstellbaren Scheiben kann die jeweilige Entfernung abgelesen werden.

Jakobsmuschel, die

Abzeichen der Pilger, insbesondere derer, die nach Santiago pilgerten.

Museumsreise, die

Forschungs- und Ausbildungsreise von Museumfachleuten, um neue Erkenntnisse über die Aufstellungsordnungen und Sammlungen in anderen Museen und Kunbstkabinetten zu gewinnen. Die Ergebnisse wurden in sog. Museographien zusammengefasst. Im weiteren Sinne: Bildungsreise, deren Schwerpunkt auf der Besichtigung von Museen liegt (Georg Forster, Wilhelm Humboldt).

Lit.: Korff, Gottfried: Museumsreisen. In: Bausinger 1991, S. 311-319

Myriorama, das

Hochformatige Einzelbilder, die zusammengelegt eine Landschaft ergeben, untereinander aber austauschbar sind. Typische Elemente sind: Ruinen, Haine, bizarre Felsen, Landbevölkerung, Flüsse.

Revolutionstourismus, der

Polemischer Begriff Hans Magnus Enzensbergers für die in den 70er Jahren zunehmende Reisetätigkeit linker Autoren mit Zielen wie China, Vietnam und Kuba; allgemeiner: Reisebetrieb zu Schauplätzen von Revolutionen (Französische Revolution, Juli-Revolution).

Lit.: Peitsch, Helmut: Das Schauspiel der Revolution. Deutsche Jakobiner in Paris. In: Brenner 1989, S. 306-332. - Weber, Johannes: Wallfahrten nach Paris - Reiseberichte deutscher Revolutionstouristen von 1789 bis 1802. In: Bausinger 1991, S. 179-185

Pelerine, die

Gewand der Pilger in Mittelalter und früher Neuzeit.

pregrinatio maiores, die (Pl.)

Die drei großen Pilgerreisen nach Jerusalem, Rom und Santiago de la Compostela.

Postkutsche, die

Hauptverkehrsmittel des schnellen Einzelverkehrs bis zum Ausbau des Eisenbahnetzes um 1840, frz. malle-poste, engl. mail coach. Postkutschen dienten vorrangig der Beförderung von Postsendungen, erweiterten ihr Angebot jedoch bald um die Personenbeförderung. Die Postkutsche verkehrte in mehr oder minder einheitlichen Zeitabständen, Abfahrtstermine fielen mitunter mit dem Schlag der Kirchen- oder Rathausglocken zusammen. Gelenkt wurde die Postkutsche von einem Postillion in fester Anstellung beim Beförderungsunternehmen. Grundvoraussetzung für die Bewältigung längerer Strecken war ein Pferdewechsel nach jeweils 15-20 km. Ein Postwagen legte während seiner Instandhaltungsdauer von vier- bis sechs Jahren bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 15 km /h etwa 18.000 km zurück. Die Preise lagen in Preußen bei 8-12 Silbergroschen pro Meile; die Beförderung von bis zu 30 Pfund Gepäck war kostenfrei.

Reisespiel, das

Unterhaltendes Brett- oder Bewegungsspiel, das seiner Form nach einen Reiseverlauf abgibt. Ein bekanntes Bewegungsspiel ist die Reise nach Jerusalem: die Mitspieler befinden sich auf der Reise, solange eine Melodie erklingt; wird sie angestellt, suchen die Teilnehmer einen der Stühle zu besetzen, deren Zahl sich von Mal zu Mal verringert. Zu den Brettspielen zählen Ein Tag in Berlin (1815), Die Reise nach Paris (1855) oder Deutschlandreise.

Lit.: Falkenberg, Regina: Reisespiele - Reiseziele. In: Bausinger 1991, S. 284-290

Vagantenreise, die

Reisetätigkeit der Gaukler, Bettler und anderer Fahrender; gereist wird auf dem "Strich", auf Diebsstraßen fern der eigentlichen Hauptverkehrsstraßen. Vaganten galten vielfach als kriminell und waren sozial geächtet, allein als Unterhalter auf Jahrmärkten und Dorffesten waren sie geduldet. Als verbreitete Gaunersprache beherrschten viele Vaganten das Rotwelsche, an Türen wurden (und werden) Erkennungszeichen (die sog. "Gaunerzinken") angebracht. Rechtmäßgkeit suchten viele Vaganten durch die sog. "Reisemaske" (Verkleidung, als Pilger oder Handwerker) vorzutäuschen. Bettelnde Vaganten wurden gewaltsam von Dorf zu Dorf "verschubt" (auf Schubkarren verladen und abgeführt).

Lit.: Boehncke, Heiner: Bettler, Gaukler, Fahrende. Vagantenreisen. In: Bausinger 1991, S. 69-74

Vereinswanderung, die

Gemeinsame freizeitliche Fußwanderung, wie sie in deutschen Vereinen seit dem Vormärz üblich war und ist.

Wallfahrt, die

Regelmäßige, aber außerhalb der eigentlichen Liturgie stattfindende Buß- oder Betgänge der Gläubigen zu traditionellen Wallfahrtsorten. Wallfahrten verlaufen oft prozessionsförmig, angeführt vom Pilgerführer (Brudermeister): eröffnet werden sie durch das Läuten von Glocken. Proviant und gebrechliche Wallfahrer transportiert der Marodewagen. Wallfahrergemeinden schließen sich zu sog. Brudersodalitäten zusammen. Kennzeichen des Wallfahrers ist der Pilgerstab, als Weihgabe werden nach der Ankunft oft Kerzen dargebracht.

Lit.: Plötz, Robert: Wallfahrten. In: Bausinger 1991, S. 31-38

Walz, die

Gesellenwanderung im Handwerk mit unterschiedlicher Verbreitung in den Handwerken: weniger verbreitet bei Bäckern und Metzgern, lässt sich bei Kunsthandwerkern (Ebenisten, Goldschmiede), Feinbäckern (Lebkuchenbäcker, Zuckerbäcker) und in der Bekleidungsherstellung eine rege Wandertätigkeit nachweisen, aber auch in der Baubranche, in der Möbelschreinerei und im Metallgewerbe (Schlosser). Zur Walz gehört auch heute noch ein eigener Habitus. Ziel der Gesellenwanderung ist eine möglichst vielseitige und gründliche Ausbildung der Handwerker.

Lit.: Elkar, Rainer S.: Auf der Walz. Handwerkerreisen. In: Bausinger 1991, S. 57-61