Friedrich Kurz – Winnendens schlechtester Dichter?

Wer war Friedrich Kurz?

Der Dichter Friedrich Kurz war wohl hauptberuflich Schneider und hatte sich angeblich aus Existenzsorgen aufs Verseschmieden verlegt. In ihren „Winnender Erinnerungen“ karikiert Mina Volz-Greiner den dichtenden Schneider mit spitzer Feder:

„Jedes Kind kannte ihn, den ‚Dichter Kurz‘, von dem ein Zeitgenosse reimte: ‚Die Beine lang, das Hirn so kurz, und ach! bei unserem Dichter knurrt’s bedenklich in dem Magen! – Er ging auch in die Häuser zum Nähen, wo er die hochgerutschten Hosenboden der Buben in Stand setzte, ach sonstige gröbere Arbeit, wie Säcke flicken und dergl. versah, was natürlich nicht viel einbrachte, weshalb er sich aufs Dichten verlegte, was ihm manche Mahlzeit und Vesperschoppen eintrug und für eine Tüte Schnupftabak, mit dem er gelegentlich den Pegasus fütterte, bekam man schon ein Gedicht mit mehreren Versen“ (Volz-Greiner, 1927, 10-11).

1870 bietet „Schneider Kurz“ ein Gedicht über „den Doppelband vom letzten Montag und Dienstag zum Preis von 2 kr.“. In ähnlicher Form hat Kurz wohl immer wieder gereimt – dabei sind zwei Kreuzer lächerlich wenig (16.7.1870, Nr. 56). Dass sich Kurz dennoch als Poet verstand, offenbart eine Autorennennung, mit der Kurz ein Huldigungsgedicht abschließt, dass er für Feuerwehrkommandant Wilhelm Cleß im „Volks- und Anzeigenblatt“ veröffentlicht. Selbstbewusst unterzeichnet er mit „Friedrich Kurz, Dichter“ (29.5.1862, Nr. 43).

Friedrich Kurz reimt für den König

Die große Stunde des Amateurdichters war der Besuch König Karls im Jahr 1868, der in Winnenden ansonsten oft mit dem Eisenbahn-Projekt in Verbindung gebracht wird. Der König fuhr nach einem kurzen Aufenthalt auf dem damaligen Kronenplatz (heute verläuft dort die Ortsdurchfahrung) Richtung Waiblingen ab. Kurz hatte sich in Frack und Zylinder am Zipfelbach auf die Lauer gelegt, „angetan mit den längsten Rockschößen, Vatermörder und Angströhre“. Als die Kutsche vorbeifuhr, warf Kurz mutig ein Gedicht in den Wagen. Das Resultat war fatal, jedenfalls aus Sicht des Poeten: „Leute, die vom Hohreusch kamen, habe sich beim Lesen so erheitert, daß er sich verschiedentlich auf den Schenkel klatschte“ (Volz Greiner, 1927, 13).

Mina Volz-Greiner vermutet, es habe sich um einen ganzen Bogen gehandelt, „da der ‚Dichter‘, um seine Ehrfurcht zu zeigen, an Länge zugab, was etwa den Versen an Formschönheit fehlte“ (Volz-Greiner, 1927, 13). Ihre Frage, ob sich wohl etwas erhalten habe, lässt sich aus heutiger Sicht bejahen: Zahlreiche Verse von Friedrich Kurz wurden im „Volks- und Anzeigenblatt“ veröffentlicht.

Werk

Im Volks- und Anzeigenblatt sind um die Mitte des 19. Jahrhunderts einige Gedichte von Friedrich Kurz überliefert, oft geht es um das gesellige Leben Winnendens („Toast“). Oft geht es auch um die Feuerwehr („Feuerwehr!“, 10.3.1861, Nr. 20; „Bei der Waiblinger Feuerwehr Fahnenweihe“, 27.6.1861, Nr. 50). 1862 beglückwünscht Kurz den neu gekürten Kommandanten Wilhelm Cleß zu seiner Wahl (29.5.1862, Nr. 43). Stellvertretend sei das Gedicht „Schützenfest“ (VuAB 14.7.1861, 55) vorgestellt. Kurzens Anlass ist das Winnender Schützenfest, das nach einigen Jahren wieder veranstaltet werden konnte. Das Reimschema sind anspruchslose Paarreime, an denen man deutlich erkennt, dass bei Kurz das Künstlerische zweitrangig ist: Dialektal reimt er „Sommer“ auf „Schlummer“, bei „treffen“ und „sprechen“ kommt der Reim über die Assonanz nicht hinaus. Bei „Schlusse“ und „Fuße“ passt die Vokallänge nicht – und „Hirsch“ und „frisch“ ist wieder eine bloße Assonanz. Der klappernde vierhebige Jambus stellt immer wieder Sinnwörter in die Senkung, was beispielsweise im letzten Vers auffällt: „Da trinkt man das Bier wieder frisch“. Man sollte doch annehmen, das Bier sei Kurz wichtiger als der bestimmte Artikel. Auch der siebte Vers holpert, hier hat sich bei „verfehlte“ eine überzählige Silbe eingeschlossen: „Gar Mancher verfehlte diesen Zweck“. Unfreiwillig komisch ist auch das zweite Gedicht, das Kurz dem Schützenfest widmet (22.9.1861, 75). Hier reimt Kurz zwar über Kreuz, bildet dabei aber so monströse Reime wie „Kraft“ und „Schützengesellschaft“. Auch die Lokalpolitik bereichert Kurz mit seiner Muse: So fordert er in seinem Gedicht „Die nächste Stadtraths-Wahl am 2. Dezbr. 1861“: „Drum Wahlgenossen frisch und feste; / Wählt Männer die das Bürgerwohl / Berathen helfen auf das Beste / Wie es geregelt gehen soll.“ Bei solch staatstragender Verskunst ist es keine Frage, dass Kurz auch „Die vollendete Stadtrats-Wahl“ mit einem Gedicht segnet (5.12.1861, 96). Auch im folgenden Jahr feiert er das Wahlergebnis mit einigen ungelenken Strophen (12.1.1862, Nr. 4). Die Schrecknisse des frostigen Frühjahrs 1864 beschreibt Kurz in einem seiner wenigen Gedichte, die poetisch ganz passabel sind: „Der kalte Winter“ (29.5.1862, Nr. 43). Hier sieht sich der Wanderer vom Winter bedroht, der als Wolf personifiziert ist. Leider ist nicht zu rekonstruieren, wie es zur Veröffentlichung kam. Folgt man der Darstellung Mina Volz-Greiners, so ist anzunehmen, dass Kurz seine Gedichte selbst eingereicht hat. Reaktionen sind nicht überliefert.

Schützenfest

Ein Schützenfest hat sich gestaltet,
Man glaubte es sei ganz veraltet?
Viel Jahre lag es in dem Schlummer
Wird wieder aufgeweckt vom Sommer!
Man schießt sich da die schönsten Preise
Ganz herrlich und in bester Weise
Gar Mancher verfehlte diesen Zweck
Der schoß um drei Schuh davon weg!
Die Frauen wählen sich die Preise,
Der Man, der wird dabei ganz leise
Er denkt, wirst du die Wahl recht treffen
Dann wird ich freundlich mit dir sprechen.
Das Schützenfest wird nun vollendet
Den Kindern eine Gab gespendet
Daß Sie sich um die Wette springen
Und da sich einen Preiß erringen.
Es freut sich alles bei dem Schlusse
Jetzt geht es wieder bald zu Fuße
Zu Stadt hinein, dann in den Hirsch
Da trinkt man das Bier wieder frisch.

 

Quellen

Volz-Greiner, Mina: Winnender Erinnerungen aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Winnenden: Druckerei des Volks- und Anzeigenblatts, 1927