Argumentieren in der Schule
Typen von Argumenten
Die folgende Übersicht soll euch helfen, anhand von wohlbekannten Beispielen aus der Schule und dem Alltag zu erkennen, welche Arten von Argumenten es gibt!
Argumentum a fortiori (Beweis durch Überhöhung)
Man geht von einem Erfolg im Kleinen aus und behauptet, er lasse sich im Großen jederzeit wiederholen.
Wenn du fünf Minuten lang täglich lernst, bringt das schon was. Nun stell dir mal vor, was herauskommt, wenn du zwanzig Minuten mehr lernst!
Argumentum a posteriori (Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere)
Man geht von etwas Allgemeingültigem aus und zieht daraus Schlüsse für den Einzelfall.
Bisher ist wegen Kunst noch keiner durchgefallen. Da fällst du dann auch nicht durch.
Argumentum a priori (Schluss von falschen Voraussetzungen)
Man zieht Schlüsse aus einer Grundannahme, die aber nicht notwendigerweise richtig sein muss
Wenn man annimmt, dass Mathematiklehrer klüger sind als Englischlehrer, dann ist ja klar, dass euer Englischlehrer nicht mit eurem Mathelehrer mithalten kann.
Argumentum a tuto (Beschwichtigungsargument)
Überzeugen durch Beschwichtigen: Man unterstellt, dass etwas sinnvoll ist, weil es nicht schadet.
Also, ihr solltet eine zweiteilige Überschrift machen. Schaden kann es jedenfalls nicht.
Argumentum ad antiquitatem (Traditionsbeweis)
Man beruft sich darauf, dass etwas schon lange üblich sei.
Das Abi gibt’s jetzt auch schon über hundert Jahre. So ganz sinnlos kann es also nicht sein!
Argumentum ad baculum (Drohung)
Man droht mit den Folgen, die der Gegner zu befürchten habe.
An deiner Stelle würde ich mir gut überlegen, ob du jetzt durch diese Tür gehst. Könnte ja sein, dass du mich nächstes Jahr in Französisch hast.
Argumentum ad crumenam (Erfolgsbeweis)
Man leitet die Richtigkeit einer Sache aus ihrem Erfolg ab.
Meine Lernmethode ist besser, schau dir mal meinen Durchschnitt an!
Argumentum ad ignorantiam (Argument aus Nichtwissen)
Man schließt daraus, dass man etwas nicht kennt, darauf, dass es nicht existiert.
Also, von Mobbing habe ich hier an der Schule noch nichts gehört. Das gibt es hier nicht.
Argumentum ad invidiam (Neidargument)
Man untergräbt die Autorität einer Position, indem man Neid gegen sie auslöst.
So, du willst also auch nichts lernen? Ja, von mir aus, mach nur, was deine Freundin dir sagt. Die hat aber garantiert wieder eine Eins nächste Woche.
Argumentum ad iudicium (Scheinrationalität)
Man führt eine logische Überlegung so aus, dass sich – vermeintlich – die Schlussfolgerung zwingend ergibt.
Die Hälfte von sechzig Punkten sind dreißig. Die Hälfte von sechs ist drei. Es ist ja wohl mehr als sinnvoll, wenn Sie für dreißig Punkte auch eine drei geben.
Argumentum ad lapidem (Erfahrungsbeweis)
Man zeigt anschaulich, dass man recht hat.
Natürlich klingt mein Satz besser. Hört einfach zu, ich trage ihn jetzt noch einmal vor.
Argumentum ad lazarum (Argument des weisen Asketen)
Man beruft sich auf eine Ehrfurcht gebietende, sittlich unanfechtbare Persönlichkeit.
Mein Großvater ist dreißig Kilometer zur Schule gelaufen – und zwar barfuß. Auch im Dezember. Und der hat nie eine Fünf in Latein nach Hause gebracht. Also, streng dich an!
Argumentum ad metum (Angstargument)
Man überzeugt, indem man vor bedrohlichen Ereignissen warnt.
An deiner Stelle würde ich mich mal ranhalten. Die Oberstufe ist happig, da gehst du sonst unter.
Argumentum ad misericordiam (Mitleidsargument)
Man stützt seine Argumentation, indem man Mitleid erregt.
Ich hatte am Wochenende zwanzig Oberstufenarbeiten zu korrigieren und bin so fertig, dass ich euren Aufsatz noch nicht korrigieren kann.
Argumentum ad novitatem (Innovationsargument)
Man behauptet, dass etwas richtig sei, weil es neu ist.
Die neuen Bücher sind viel besser, die sind ja ganz neu entwickelt.
Argumentum ad oculos (Beweis durch Augenschein)
Man legt Beweise vor.
So, du hast also nicht abgeschrieben. Und was ist das da? Zufällig derselbe blöde Fehler oder wie?
Argumentum ad odium (Hassargument)
Man zeigt, wie hassenswert der Vertreter der Gegenmeinung ab – und leitet daraus ab, dass er Unrecht hat.
Warum er unrecht hat? Ganz einfach, weil er ein Depp ist.
Argumentum ad populum (gesellschaftliche Argumentation, auch: Argumentum consensu gentium)
Man begründet seine Aussage damit, was vermeintlich alle glauben.
Das weiß doch jedes Kind, dass Beamte faul sind.
Argumentum ad rem (Sachargument)
Man begründet die Richtigkeit seiner Aussage mit dem Verweis auf Sachgründe.
Morgen können wir die Klausur nicht schreiben, da haben Sie Gesamtlehrerkonferenz.
Argumentum ad superbiam (Argument aus Überlegenheit)
Man kehrt seine eigene Kompetenz heraus und überhöht seine eigene Glaubwürdigkeit.
Das glaube ich kaum, dass der Kollege das besser weiß. Ich habe schließlich erstens länger und zweitens erfolgreicher studiert.
Argumentum ad temperantiam (Argument der goldenen Mitte)
Man stellt seine Forderung als goldenen Mittelweg zweier Extreme dar.
Wenn Sie mir eine Drei geben wollen und ich mir eine Eins, dann sollten wir uns bei einer Zwei treffen, oder?
Argumentum ad verecundiam (Autoritätsverweis oder Referenzargument)
Man bezieht sich auf eine glaubwürdige und kompetente Quelle oder Person.
Der Schulleiter hat gesagt, dass man nicht zwei Tests an einem Tag schreiben darf.
Argumentum ambiguum (Mehrdeutigkeit)
Man leitet Folgerungen von einem mehrdeutigen Grundsatz ab.
Die Arbeit war zu schwer, weil wir für alle Aufgaben keine Zeit mehr hatten. (Es bleibt jedoch offen, ob nicht alle oder alle nicht bearbeitet werden konnten!)
Argumentum e contrario (Beweis durch Widerspruch)
Man stellt einer für falsch ausgegebenen Aussage eine andere, vermeintlich richtige, gegenüber.
Es heißt immer, Latein sei so schwer. Im Schnitt sind die Noten aber um zwei Notenpunkte besser!
Argumentum ex concesso (Argument aus Zugeständnissen)
Ableiten von Folgen aus der Aussage des Gegners.
Du hast ja schon selber gesagt, dass du den Schwamm in der Hand hattest. Das Tagebuch ist nass. Was liegt näher, als dass du am Freitag nachsitzen kommst?
Argumentum in circulo (Circulus vitiosus bzw. Zirkelschluss, Petitio principia)
Man beweist das, was man beweisen will, durch sich selbst: die Folgen sind gut, weil ihre Ursache gut ist; und die Ursache ist gut, weil die Folgen gut sind.
Wer sich anstrengt, der verdient auch eine gute Note, weil nämlich nur derjenige gute Noten verdient hat, der sich auch anstrengt.
Argumentum ad personam (persönlicher Angriff)
Man unterstellt dem Gegner Unwissen oder mangelnde Kompetenz.
Jemand, der nicht mal weiß, wie die Hauptstadt von Papua-Guinea heißt, braucht mir gar nicht erst mit Erdkunde zu kommen!
Tu-quoque-Argument
Man beansprucht Rechte, weil der Gegner dasselbe tue.
Wenn du abschreibst, dann darf ich doch wohl auch abschreiben!
Bilanzieren
Man überzeugt, indem man mehr Argumente für seine Sache als gegen seinen Standpunkt nennt.
Also, in Ordnung, in Italienisch musst du mehr Vokabeln lernen und die Aussprache ist nicht so ohne, dafür darfst du auf Studienfahrt, du musst keine Hausarbeit schreiben und der Unterricht ist auch unterhaltsamer.
Cum hoc ergo propter hoc (Scheinkausalität)
Zwei Ergebnisse, die logisch nichts miteinander zu tun haben, werden verknüpft)
Seit der neue Schulleiter im Amt ist, haben die Schülerzahlen zugenommen.
Nazivergleich
Die Position des Gegners wird durch einen Vergleich mit Personen oder Sachverhalten aus dem Dritten Reich gleichgesetzt.
Was, jetzt Hausaufgaben einsammeln! Sie Faschist!
Unterstellung schlechter Motive
Man unterstellt dem Gegner, er hege schlechte Absichten.
Das sagst du doch nur, um dich bei ihm einzuschleimen!
Dammbruchargument
Man argumentiert damit, dass das Zulassen einer Handlung eine Schwemme ähnlicher Handlungen auslöst.
Wenn ich dich jetzt aufs Klo lasse, dann wollen hier alle aufs Klo.
Hypothetisches Argument
Man stellt eine Voraussetzung auf, die nicht gegeben ist; dann leitet man seine Folgerung daraus ab.
Wenn Sie ein Schüler wären, dann hätten Sie doch jetzt auch keine Lust!
Ideologisches Argument
Man begründet seine Aussage mit dem vermeintlichen Wert für die Allgemeinheit.
Für die Schule ist es doch auch besser, wenn wir in der Pause drinbleiben dürfen.
Killerphrase (Totschlagargument)
Man verwendet eine verbreitete Phase, um eine Position zu entwerten.
Nein, für eine Klassenfahrt haben wir weder die Zeit noch das Geld.
Logisches Nutzwertargument
Man nennt zwei oder mehr Bedingungen, die man erfüllen muss, um etwas Gutes zu erlangen.
Wenn du im Test eine Zwei schreibst und mündlich auf die Drei kommst, reicht es dir noch zu einer Vier im Zeugnis.
Moralisches Argument (auch: ethisches Argument, normatives Argument)
Man begründet etwas mit allgemein anerkannten Normen.
Es wäre einfach unanständig, in der sechsten Stunde einen nicht angesagten Vokabeltest zu schreiben.
Tertium non datur (Argument des nicht gegeben Dritten)
Eine eigentlich offene Situation wird als Dilemma dargestellt, das nur zwei Auswege bietet.
Also, entweder du kommst in die AG oder du bist draußen.
Vergrößerungsargument
Man rechnet eine kleine Zahl groß oder zeigt, wie sich Einzelposten vorteilhaft summieren.
Wenn du dich in allen naturwissenschaftlichen Fächern um zwei Zehntel verbesserst, bist du um eine ganze Note besser!
Verkleinerungsargument
Man überzeugt, indem man eine als zu groß empfundene Menge kleiner darstellt oder aufteilt.
Wenn du dir die hundert Vokabeln auf zwanzig Tage verteilst, musst du nur fünf am Tag lernen.