Wie schreibt man eine dialektische Erörterung?

Zur Einführung

Eine dialektische Erörterung versammelt Gründe und Gegengründe. Dann zieht sie daraus eine Schlussfolgerung. Dabei treffen These und Antithese aufeinander, ehe sie zur Synthese verbunden werden. Dieses Modell nennt man Dialektik (von gr. dialektiké téchne = Unterredungs- oder Gesprächskunst). Jede dialektische Erörterung nimmt zu einer Entscheidungsfrage Stellung. Eine Entscheidungsfrage lässt sich mit einem einfachen Ja oder einem entschiedenen Nein beantworten. Weil beide Antworten möglich sind, sind Konflikte möglich. Deshalb liegt es nahe, zur Lösung des Konflikts auch die Gegenseite in der Entscheidung zu berücksichtigen.

Zur Begründung

Warum ist es wichtig, dialektisch erörtern zu können?

  • Vielen Menschen fällt es schwer, ein Problem von mehreren Seiten zu sehen. Eine Entscheidung erscheint dann rasch als zwingend, was aber selten zutrifft. Beim dialektischen Erörtern muss man sich in die Gegenseite hineindenken und ihr gerecht werden.
  • Auch die Kompromissfähigkeit wird beim Erörtern geschult, gibt der Schluss doch eine Verschmelzung beider Positionen vor.
  • Ein weiteres Lernziel ist es, sich begründet entscheiden zu können und den Begründungsgang klar darzulegen. Treffsicheres, strukturiertes und ausgewogenes Erörtern von Streitfällen ist in vielen Ausbildungsgängen und auch im Alltag von großer Bedeutung.

Wichtige Begriffe

  • Eine Behauptung oder These ist eine zunächst unbewiesene Aussage zu einer strittigen Frage: „Schuluniformen bereiten vor allem Familien mit geringem Einkommen finanzielle Probleme, …“
  • Eine Begründung umfasst Gründe, warum diese Aussage zutrifft: „… weil sowohl die Anschaffung als auch die Pflege von den Eltern getragen werden müssen.“
  • Ein Beleg ist ein Beweismittel, das die Richtigkeit der Begründung auf Beispiele, Erfahrungen und allgemeingültige Sachverhalte stützt: „Mit entsprechenden Schuhen verursacht eine Schuluniform Kosten in Höhe von über hundert Euro, die viele sozial schwache Familien nicht tragen können.“ Natürlich ließen sich auch Statistiken und Studien anführen, sie müssten aber eigens recherchiert werden.

Vorbereitung

Maßgeblich für ein gutes Gesamtergebnis ist ein tragfähiges Konzept. Für das Konzept sollte man etwa 20% der Zeit vorsehen.

  1. Schau dir das Thema an. Warum ist das Thema wichtig? Notiere drei Gründe!
  2. Beschreibe den Sachverhalt und definiere die wichtigsten Begriffe aus der Leitfrage!
  3. Überlege dir, wozu dir mehr Argumente einfallen: Für oder wider die Sache? Wähle!
  4. Schreibe alle Thesen zum Thema auf, die dir spontan einfallen!
  5. Wende wenigstens eine Technik an, mit der du weitere Thesen gewinnen kannst.
  6. Gewichte die Thesen! (*** = stark, ** = mäßig, * = wenig überzeugend)
  7. Wähle jeweils die drei bis fünf wichtigsten aus!
  8. Überlege: Nummeriere die Thesen entsprechend ihrer Wichtigkeit, damit die Anordung im Text vorbereitet ist
  9. Ergänze jeweils Begründung und Beleg!
  10. Formuliere konkrete Hinweise zur Umsetzung der Entscheidung. Überlege dir, welche Aspekte der Gegenseite du berücksichtigen kannst!
  11. Nenne drei Folgen der Entscheidung!

Überschrift

Die Überschrift ist sinnvollerweise zweiteilig. Sie ist zwar schnell geschrieben, zusammen mit der Einleitung sollten jedoch etwa 20% der Zeit eingeplant werden.

  • Der inhaltliche Teil nennt das Thema. Er sollte Interesse wecken und bringt das Problem auf den Punkt bringen. Oft empfiehlt es sich, die Leitfrage zu verwenden.
  • Der formale Teil nennt lediglich die Textsorte des Aufsatzes – in diesem Fall die dialektische Erörterung.

(INHALTLICHER TEIL) Sollen deutsche Schüler Uniformen tragen? (FORMALER TEIL) Eine dialektische Erörterung

Einleitung

Die Einleitung erfordert bei der Erörterung einigen Aufwand.

  • Zunächst muss der Leser zum Thema hingeführt Das gelingt oft durch eine historische Einordnung des Themas, einen Einzelfall, aktuelle Bezüge oder überraschende Fakten oder Zahlen. Dabei sollten die Aktualität und das Gewicht des Problems deutlich werden: Warum ist das Thema wichtig?
  • Im Anschluss sollte man den Sachverhalt inhaltlich vorstellen und erläutern. Worüber soll genau erörtert werden? Auch die Definition zentraler Begriffe ist in diesem Zusammenhang wichtig.
  • Dann werden These und Antithese mit ihren jeweiligen Befürwortern vorgestellt.
  • Aus diesem Konflikt zweier Standpunkte ergibt sich nun die Entscheidungsfrage, auf die der Hauptteil eine Antwort versucht. Eine Überleitung ist nur empfehlenswert, wo sie den Lesefluss fördert.

(HINFÜHRUNG) In Japan, England oder Korea sind sie Pflicht, in anderen Ländern zumindest die Regel: Schuluniformen. (ERLÄUTERUNG) Schüler der Sekundarstufe dieser Länder tragen in der Schule einheitliche Schulkleidung, Verstöße werden oft mit empfindlichen Strafen geahndet. (DEFINITION) Von einer Schuluniform kann allerdings erst dann gesprochen werden, wenn alle Schüler einer Schule eine einheitliche Überbekleidung tragen müssen. (BEDEUTUNG) Die Einführung einer Schuluniform würde das Leben der Schüler und ihre Wahrnehmung durch die Gesellschaft nachhaltig verändern. (ENTSCHEIDUNGSFRAGE) Sollte man tatsächlich eine Schuluniform verpflichtend auch deutschen Schülern vorschreiben? (THESE) Die Befürworter, darunter viele Politiker, stellen den Aspekt der Gerechtigkeit in den Vordergrund, (ANTITHESE) die Gegner, zumeist Eltern und Lehrer, argumentieren mit den Kosten, die durch ihre Anschaffung entstünden. (ÜBERLEITUNG) Der Konflikt scheint schwer lösbar.

Hauptteil

Für den Hauptteil, der in etwa 30% der Zeit geschrieben wird, gibt es einige Regeln:

  • These, Begründung und Belege müssen klar unterschieden werden.
  • Die Argumente sollten sinnvoll gewichtet, gut verknüpft, sachlich richtig und neutral formuliert sein.
  • Pro und Contra sollten ungefähr dasselbe Gewicht haben.
  • Empfehlenswert sind drei gut ausgebaute Argumente für beide Standpunkte.
  • Es empfiehlt sich außerdem, die einzelnen Argumente durch Absätze voneinander zu trennen.

Es gibt zwei mögliche Verfahrensweisen: das Reißverschluss-Verfahren und das Sanduhr-Verfahren.

  • Beim Sanduhr-Verfahren werden zunächst absteigend die Argumente der Gegenseite genannt. Darauf folgt eine Überleitung, ehe steigernd die Argumente der zu vertretenden Seite aufgereiht werden: A‘‘‘ – A‘‘ – A‘ // B‘ – B‘‘ – B‘‘‘.
  • Beim Reißverschluss-Verfahren wird zunächst das stärkste Argument der Gegenseite genannt, dazu ein passendes Argument der zu vertretenden Seite zur Widerlegung: A‘‘‘ – B‘ / A‘‘ – B‘‘ / A‘ – B‘‘‘.
  • Damit ist klar, dass das Sanduhr-Verfahren leichter zu beherrschen ist, weil man keine Widerlegung der Gegenseite leisten muss.

(ÜBERBLICKSSATZ): Zu den drei entscheidenden Vorteilen einer Schuluniform gehört den Befürwortern zufolge, dass sie das Zusammengehörigkeitsgefühl der Schüler fördert, dass sie die positive Außenwirkung der Schule verstärkt und die Eltern finanziell entlastet.

(THESE A‘‘‘) Sie fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl der Schüler, weil (BEGRÜNDUNG) sie Unterschiede einebnet und Gemeinsamkeiten betont. So (BELEG) begreifen sich Schüler in Japan stärker als Teil der Gemeinschaft als deutsche Gymnasiasten und (AUSBAU) sind deshalb auch stärker bereit, sich für die Schulgemeinschaft einzusetzen.

Schlussteil

Für den Schlussteil sollte man etwa 20% der Zeit vorsehen. Die restlichen 10% sind Korrekturzeit.

  • Im Schlussteil empfiehlt es sich, auf die Leitfrage zurückzukommen. Dann wird erneut die Gegenposition vorgestellt und zugleich relativiert: „Es trifft zwar zu, dass …“ / „Es ist ebenso nicht von der Hand zu weisen, dass …“.
  • Dann folgt die eigene Position: „Letztlich überwiegen die Argumente zugunsten …“.
  • Man sollte außerdem wichtige Faktoren für die Entscheidung herausarbeiten: „Entscheidend dabei ist, dass …“.
  • Ist die Entscheidung gefallen, dann geht es um die Umsetzung. Es sollten nun konkrete Maßnahmen zur Durchführung genannt werden.
  • Um dem Prinzip der Dialektik gerecht zu werden, sollte man auch Einflüsse der Gegenseite bei der Durchführung anklingen lassen.
  • Ein Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Themas rundet die Arbeit ab.
  • Besonders geschickt wirkt es, wenn man den Einstieg noch einmal aufgreift.

(ÜBERLEITUNG) Sollten Schuluniformen also Pflicht werden? (POSITION UND GEGENPOSITION) Die Einführung einer Schuluniform hat also neben Vorteilen, die besonders das Sozialleben betreffen, gravierende Nachteile für jeden einzelnen Schüler und die gesamte Gesellschaft. (GEWICHTUNG) Besonders schwer wiegt die Tatsache, dass für die Anschaffung auch weniger vermögende Eltern zur Kasse gebeten werden. (VERTIEFUNG) Für nicht wenige Uniformen wird letztlich der Staat aufkommen müssen. (EIGENE POSITION) Grundsätzlich mögen Uniformen an Problemschulen sinnvoll sein, die flächendeckende Einführung ist jedoch schon aus finanziellen Gründen abzulehnen. (UMSETZUNG MIT SYNTHESE) Ich befürworte die Wahlfreiheit für Schulen: (AUSBLICK) Wer Uniformen aus freien Stücken trägt, wird sie bald gerne tragen und sich der Schule verbunden fühlen, die sie verkörpert. (MARKANTER SCHLUSSATZ) Dann, und nur dann, werden auch wir Schuluniformen als Selbstverständlichkeit hinnehmen – (HINWENDUNG ZUM ANFANG) wie die Bürger Koreas, Japans und Englands.