Latein und Deutsch: Fächerverbindender Unterricht
Zur Begründung der Kooperation
Die Zusammenarbeit zwischen Deutsch und Latein ist einerseits traditionsreich, andererseits schwierig: Die Zahl der Lateinschüler nimmt ab, geschlossene Lateinklassen gibt es selten, die kulturelle Dominanz des Lateinischen ist seit 100 Jahren Vergangenheit. Dennoch gibt es gute Argumente für eine Zusammenarbeit der beiden Fächer:
- Latein ist nicht nur die Ausgangssprache für zahlreiche Lehn- und Fremdwörter im Deutschen, die lateinische Kultur hat das Denken Europas maßgeblich geprägt. Mangelnde Beherrschung der alten Sprachen führt zu historischer Kurzsichtigkeit.
- Die deutsche Literatur greift auf lateinische Stoffe und Motive zurück: Ihre Kenntnis führt zu vertieftem Textverständnis. Umgekehrt werden lateinische Texte so besser in ihrer Wirkung erfasst.
- Viele Formen der klassischen Literatur sind in der Antike entstanden – man denke an Epigramm und Elegie, Emblem und Idyll, Ode und Hymne. Ihre Nachahmung in der deutschen Literatur versteht man besser, wenn man die lateinischen Vorbilder kennt.
- Direkte lateinische Zitate kommen in vielen Texten vor – oder auch als Aufschriften an Gebäuden oder auf Bildern, die im Deutschunterricht eine Rolle spielen.
- Zahlreiche Denk- und Darstellungsstrategien aus der Antike können heue noch den Deutschunterricht bereichern: etwa im Bereich der Rhetorik (Topik).
- Der Grammatikunterricht beider Sprachen profitiert vom Sprachvergleich – zudem werden grammatikalische Fachbegriffe besser verstanden, wenn man ihre muttersprachliche Bedeutung kennt.
- Das verfeinerte Repertoire analytischer Fähigkeiten, das beim Übersetzen im Lateinunterricht erworben wird, ist auch beim Umgang mit muttersprachlichen Texten von Bedeutung.
Möglichkeiten und Felder der Zusammenarbeit
Klassen 5 / 6
- Wörter nach Wortarten zusammenstellen und grammatikalische Zusatzangaben nennen (kontrastiv: Deutsch - Latein)
- Übertragene und eigentliche Bedeutung (Wortbereich)
- Lateinstämmige Wörter in Wortfeld und Wortfamilie zusammenstellen
- Wortbildungslehre: Fachbegriffe (Suffix, Präfix…)
- Lateinische Fremdwörter sammeln und aus ihren lateinischen Wurzeln erklären, Umgang mit Wörterbüchern (Eigennamen, Alltagsgegenstände, Werbung…)
- Lehnwörter mit ihren lateinischen Wurzeln vergleichen (z. B. Fenster – finestra)
- Satzglieder bestimmen und Methoden zu ihrer grafischen Kennzeichnung anwenden (Feldermodell)
- Namenskunde: Namen aus dem Lateinischen
- Satzlehre: lateinische Fachbegriffe für die Satzarten (z. B. Adverbialsatz) erklären
- Zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht unterscheiden
- Sachtexte analysieren aus dem Bereich der Archäologie (Rom)
- Sachtexte zu Themen mit Lateinbezug verfassen
- Beschreibung von Realien aus dem Lateinunterricht (Personenbeschreibung: Büsten, Bildbeschreibung: Mosaiken, Gegenstandsbeschreibung: Kunstwerke; Beschreibung von Gebäuden: Forum Romanum, Basiliken, Colosseum, Circus Maximus)
- Römische Sagen und Mythen (Götterwelt, Aeneis, Livius: Romulus und Remus)
- Römische Fabeln und ihre deutschsprachige Nachdichtung (Phädrus)
- Einen Zeitstrahl zur römischen Geschichte erstellen
- Tierprojekt: Beschreibungen von Tieren in der Antike (Plinius d. Ä.), im Mittealter (Physiologus) und heute
Klasse 7 / 8
- Fachbegriffe mit lateinischen Wurzeln analysieren: Sprachwandel darstellen – Umgang mit etymologischen Wörterbüchern
- Funktionen des Konjunktivs untersuchen (im Lateinischen: Iussiv, Hortativ)
- Tempus- und Modusgebrauch des Lateinischen mit dem Deutschen vergleichen
- Verwendung des Passivs im Deutschen und Lateinischen untersuchen
- Den unterschiedlichen Kasusgebrauch bei Verben, Adjektiven und Präpositionen im Lateinischen und Deutschen beschreiben
- Die Verwendung von Pronomina im Deutschen und Lateinischen vergleichen
- Sachtexte zu Mittelalterthemen und Lateinbezug kriteriengestützt beschreiben
- Inhaltsabgaben zu Erzähltexten mit Rom- oder Mittelalterbezug
- Textsorten unterscheiden und Merkmale nennen
- Berichte zu Exkursionen zu Zielen mit Relevanz für den Lateinunterricht (Trier, Aalen, Köln…)
- Latein vor Ort: Spuren des Lateinischen im Umfeld (Projekt)
Klasse 9 / 10
- Texte mit Antikenbezug untersuchen („Rezeptionsdokumente“, z. B.: Goethe: Römische Elegien)
- Bedeutung des Lateinischen im Barock darstellen (z. B. Verfassen einer Subscriptio oder eines Mottos zu einem Emblem, erst in Kl. 10)
- Vergleichen von Original und Übersetzung: Auswirkungen von Übersetzungen auf das Deutsche (z. B. beim elegischen Distichon: Folgen der Hexameter-Übersetzung für die deutsche Syntax, z. B. Inversion; Sammeln typischer Konstruktionen, die bei Übersetzungen entstehen)
- Deutsch-lateinisches Stilmitteltraining (Alliteration, Anapher, Antithese, Asyndeton, Chiasmus, Hendiadyoin, Hyperbaton, Klimax, Metapher, Parallelismus, Trikolon)
- Projekt zum Germanenbild der Römer (Cäsar: De bello gallico, Tacitus: Germania, Ausonius: Mosella) oder zur Germanenbegeisterung im Deutschen Reich
- Projekt zum Bild Roms in der deutschen Literatur (z. B. Romlyrik, Reiseliteratur; Goethe, Schiller, Hölderlin, Voss, Gregorovius, Felix Dahn)
- Römische Rhetorik und ihre Folgen (Quintilian): Bedeutung der Rhetorik im Wandel der Zeit, Eristik, Topoi, Argumentenlehre, Ethos der Rhetorik
- Charakterisierung von Persönlichkeiten mit Lateinbezug (z. B. Alexander, Hannibal, Cicero, Caesar, Augustus, Karl der Große, Erasmus, Ulrich von Hutten)
- Liebeslyrik mit Bezug zu Catull oder Ovid
- Analyse eines Films mit Rombezug (z. B. Gladiator)
- Projekt zu deutsch-lateinischen Literaturphänomenen (z. B. Carmina Burana)
- Kreatives Schreiben zu römischen Quellen (Livius, Plinius…) oder zu geflügelten Worten („Amor vincit omnia“)
Klasse 11 / 12
- Übersetzungen aus dem Lateinunterricht im Deutschen stilistisch nachbearbeiten
- Lateinische Fremdwörter in den Schwerpunktlektüren mit Blick auf ihre Etymologie darstellen
- Intertextualität: Lateinische Vorbilder in der Stofftradition finden und Abwandlungen darstellen (Ovid: Metamorphosen und ihre Verarbeitung > z. B. Narziss, Tristien und Exillyrik)
- Formentradition: Formen aus der lateinischen Tradition erkennen und beschreiben (Epigramm, Ode, Elegie…)
- Schreiben eines Essays zu Themen aus dem Lateinunterricht (z. B. Latein und Europa, Bedeutung der alten Sprachen, Übersetzen, Geschichtsbewusstsein, Probleme der antiken Philosophie)
- Fortgeschrittenes deutsch-lateinisches Stiltraining (Ellipse, Archaismus)
- Textanalyse: Textmuster in Sachtexten mit Begriffen der römischen Rhetorik beschreiben (Exkurs, Redeschema)
- Probleme der Poetik vergleichend darstellen (Horaz: De arte poetica)
- Satire-Projekt mit Rückgriffen auf Martial und Juvenal
- Projekt zum Humanismus in Deutschland (Ulrich von Hutten, Melanchthon, Konrad Celtis): Übersetzung neulateinischer Lyrik ins Deutsche (wenn möglich: mit Lokalbezug)
Anhang: Jugendbücher mit Lateinbezug
- Stöver, Hans Dieter: Quintus geht nach Rom. München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1987 (u. ö.)
- Winterfeld, Henry: Caius ist ein Dummkopf. München: dtv, 1981 (u. ö.)
- Sutcliff, Rosemary: Der Adler der neunten Legion: Eine Erzählung aus der Zeit der römischen Besetzung Britanniens. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1971 (u. ö., 2011 im Verlag Freies Geistesleben)
- Schwieger, Frank: Ich, Caesar, und die Bande vom Kapitol: Live aus dem alten Rom. München: dtv, 2018
- Northfield, Gary: Julius Zebra (Bd. 1): Raufen mit den Römern. München: cbt, 2015
- Carstensen, Richard: Römische Sagen. München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1994
- Lawrence, Caroline: Roman Quest (Bd 1): Flucht aus Rom. München: arsEdition, 2019 (Weitere Bände sind bereits erschienen.)