Cornelie Lechler: Winnendens erste Kinderbuchautorin
Biographie
Abb.: Cornelie Lechler (1911), StA Winnenden |
Cornelie Lechler kommt 1859 in Winnenden zur Welt, wo ihr Vater Karl seit 1849 Pfarrer ist und auch die Anstalt mitbetreut. Ihr Mutter Christiane ist eine geborene Bossert. Das Verhältnis zu den Eltern muss eng gewesen sein: „Es ist mir das seltene Glück zu teil geworden“, schreibt Lechler in einem als Typoskript erhaltenen Lebenslauf, „dass ich bis zu meinem 43. Lebensjahr mit beiden Eltern, vom 46. An wenigstens noch mit meinem Vater zusammenleben durfte“ (SSL). Cornelie hat zwei ältere Schwestern, Helene und Lydia, und drei jüngere Brüder, Christoph (*1859), Eugen (*1861) und Maximilian (*1863). 1861 zieht die Familie nach Nürtingen, 1864 nach Calw, wo der Vater Dekan ist. 1871 erfolgt ein Umzug nach Heilbronn, wo Karl Lechler ebenfalls als Dekan wirkt. Aus gesundheitlichen Gründen bricht sie dort ihre Schullaufbahn ab. 1884 wird Karl Lechler Prälat und Generalsuperintendent in Ulm, wo er bis zum Ruhestand 1897 tätig ist. In dieses Jahr fällt auch der Beginn von Cornelies Tätigkeit für den „Jugendfreund“. Bereits zuvor war der Nürnberger Verlag von Theodor Stroefer (1843-1927) auf ein Gedicht von ihr aufmerksam geworden. Durch ihre Veröffentlichungen werden außerdem der Stuttgarter Löw-Verlag und der Verlag Schreiber in Esslingen auf die Autorin aufmerksam. Die letzten Jahre verbringt er in Ludwigsburg, wo er mit seiner Tochter in der Schillerstraße 4 lebt. Als Karl Lechler am 25.5.1903 stirbt, ist geht Cornelie zunächst zu ihrer zweitältesten Schwester Helene, der Frau Inspektor Hahns auf der Karlshöhe, dann wohnt sie in Großbottwar bei ihrer Schwester Lydia und ihrem Schwager, dem Stadtpfarrer Gottlob Sigel. Als Sigel in den Ruhestand tritt, zieht die Familie zunächst nach Korntal, ab 1918 leben sie in Winnenden bei Fabrikant Drück in Bahnhofsnähe. Am 11.11.1939 stirbt Cornelie Lechler mit 83 Jahren in Winnenden. Auf dem Winnender Stadtfriedhof wird sie drei Tage später beigesetzt. In ihrem Lebenslauf beurteilt sie ihr Leben als ereignislos: „Über mein Leben ist sehr wenig zu sagen. Höhen und Tiefen, die für Außenstehende von Bedeutung sein konnten, hatte es nicht aufzuweisen“ (SSL). |
Bezug zu Winnenden
Das Wohnhaus von Cornelie Lechler in der Blumenstraße 4 (heute: Robert-Boehringer-Straße) ist erhalten. Es ist auch das Wohnhaus Robert Boehringers. Das Anwesen von Carl Drück in der heutigen Schmidgallstraße, wo ihre Schwester Lydia mit ihrem Mann zur Miete wohnt, wurde erst 2020 abgerissen. Ein Grab Cornelie Lechlers ist nicht erhalten. Die Bekanntschaft mit Berta Mildenberger (einer geborenen Spingler) belegt, dass die Familie Sigel-Lechler zum Honoratiorenkreis gehörte.
Abb.: Todesanzeige Cornelie Lechler, VuAB, 1939
Werk
In Cornelie Lechlers Werk dominieren Bilderbücher und kleine Versfibeln, die Themen sind in der Regel religiös gefärbt, auch dann, wenn es sich um Tier- und Naturgedichte handelt. Lechler arbeitet für das gehobene Bürgertum. Ihre Bilderbücher sind üppig mit sorgfältig kolorierten Lithographien versehen. Insbesondere ihre Tätigkeit für den Nürnberger Kunstbuchverleger Theodor Stroefer wirkt sich auf die prachtvolle Ausstattung der Bände aus, die nicht selten mit Goldschnitt versehen sind. In ihren pädagogischen Werken bedient sie den wilhelminischen Zeitgeist: Kinder sollen im Geist des Christentums groß werden, aber auch früh Gehorsam und die im Kaiserreich gefragten Sekundärtugenden lernen: Fleiß, Sauberkeit, Zucht und Sitte. Wie sehr die Autorin den Markt und das Zeitgeschehen im Blick behält, zeigt die zu Anfang des Ersten Weltkriegs entstandene Lyrik, die sich mit dem Unterton moralischer Entrüstung scharf gegen England wendet.
Abb.: Cornelie Lechler: An Britannia (1914) In ihrem Gedicht „An Britannia“ (datiert auf den 22.4.1914) wirft der Sprecher der personifizierten Britannia vor, sie habe sich mit „Barbaren“ (den Russen) verbündet und damit den deutschen „Bruder“ verraten. Sie reagiert damit auf den Vertrag von Sankt Petersburg, der am 31.8.1907 zur Gründung der Triple Entente führt. Mit dem Kriegseintritt Englands im August 1914 verschärft sich die Lage – die Mittelmächte sind materiell und von der Truppenstärke her weit unterlegen. Lechlers leidenschaftliche vorgetragene Anklage bedient sich eines jambischen Fünfhebers im Kreuzreim. Charakteristisch ist die religiös aufgeladene Rhetorik, das die Verwerflichkeit des englischen Bundschlusses mit dem Zarenreich und Frankreich in den Vordergrund stellt. Dass das Deutsche Reich Belgiens Neutralität verletzt hat, erwähnt Lechler nicht. |
An Britannia Hut ab, vor dir! Gut ab, Britannia! / Ist das dein wahres Antlitz, das wir sehen? / Fein steht’s dir an, das muss ich sagen, ja! / Mit solchen Freunden Arm in Arm zu gehen! Mit Lügnern schüttelst du die Hände dir. / Zu Mördern sprichst du: „Komm, seid mir Genossen!“ / Und mit Barbaren, die voll Blutbegier, Hast einen stolzen Treubund du geschlossen. Warum? – Weil dich dein Herz zu ihnen zog? - - - / Du liebst sie nicht und wirst sie niemals lieben. / Nein, bloße Habgier war’s, die dich betrog. / Neid hat in diese Arme dich getrieben. Was taten wir? Hat jemals unsre Hand / Sich ausgestreckt nach deines Reiches Schätzen? / Jemals ein Schiff die Segel ausgespannt, / Um deines Landes Grenzen zu verletzen? Sind wir nicht stammverwandt von altersher, / Nicht sinnesgleich im tiefsten Grund gewesen? / Pfui über dich! Ich kenne dich nicht mehr. / Zwei saubre Buhlen hast du dir erlesen. Und doch – was stauen wir so gar und ganz? / Bist du doch nicht mit einemmal verwandelt! / Warst du’s nicht, die um Diamantenglanz / Ein gut Stück ihrer Erde eins verhandelt? Und nun – die du mit kaltem Blut zerbrichst / Das Völkerrecht, wo’s immer dir mag nützen - / Du Heuchlerinn! Du hast die Stirn und sprichst: / „Mich treibt die Pflicht, ein schuldlos Land zu schützen!“? Du lügst! – Es lüstet dich nach deutschem Gut. / Schon hebst du an, die Beute zu erschleichen. / Doch wehe dir! Von deines Bruders Blut / Wird ewig bleiben dir ein Kainszeichens. Ja, „man erstickt an einer Lüge nicht!“ / Dein Freund, der Russe, sagt’s und lügt nach Kräften. / Wir Deutsche aber glauben ein Gericht, / Das Das an des Lügners Ferse sich wird heften. Britannia, sag an und leugne nicht: / Kannst du vor Gott mit freiem Herzen treten? / Kannst du dem Höchsten schaun ins Angesicht, / Um Sieg für die gerechte Sache beten? Der Herr sei Zeuge zwischen uns und dir! / Wir trau’n auf Ihn und seinen großen Namen. / Man zwang das Schwert uns auf. / Hier stehen wir, / Wir können anders nicht! Gott helf’ uns! – Amen. |
Abb.: Cornelie Lechler: Losung für 1935, Typoskript, StA Winnenden
Bibliographie
Quellen und Sekundärliteratur
- De la Roi-Frey, Karin: Eine moderne Frau in ihrer Zeit. Winnender Zeitung, 30.10.2014 (Serie: Persönlichkeiten des Königreichs Württemberg
- Mitteilung Dorothea Schaupps (Patentochter Cornelie Lechlers) ans StA Winnenden, 13.11.2014, 2014_11_13+19 Re
- SSL: Sammlung Sigel-Lechler, StA Winnenden, Best. S-N, Nr. 10
- Lechler, Frl. Cornelie. In: Sophie Pataky: Lexikon deutscher Frauen der Feder, Bd. 1, Berlin 1898, S. 484 f.
Werke Cornelie Lechlers
- Lechler, Cornelie: Allerlei aus der Tierwelt. Stuttgart: F. Loewe, 1894
- Lechler, Cornelie: Allerlei Lust und Leid. Reime. München: Th. Stroefer, 1889
- Lechler, Cornelie: Allerlei Neues. Bilderbuch mit lustigen Reimen. Nürnberg, Th. Stroefer, 1895
- Lechler, Cornelie: Am Meeresstrande. Ein Aufstellbilderbuch mit lustigen Versen. Esslingen, F. J. Schreiber: 1896
- Lechler, Cornelie: Am Quell des Lebens. Bibeltexte und geistliche Lieder. Nürnberg: Th. Stroefer 1894
- Lechler, Cornelie: Auf dem Lande. Ein Aufstellbilderbuch mit lustigen Versen. Esslingen: J. F. Schreiber, 1896
- Lechler, Cornelie: Auf Engels Flügeln. Fünfzehn reizende Engelsköpfchen auf seidene Bändchen gereiht. Für Gratulationszwecke bestimmt. Nürnberg, Th. Stroefer
- Lechler, Cornelie: Auf Gottes Wegen. Schriftworte für jeden Tag im Monat. München: Th. Stroefer, 1889, 4 Bd.: 1. Der gute Hirte. 2. Auf sicherem Pfade. 3. Durch Freud’ und Leid. 4. Himmlische Fussspuren.
- Lechler, Cornelie: Auf seligen Wegen. Biblische Texte und geistliche Lieder für jeden Tag des Monats. Nürnberg: Th. Stroefer, 1894
- Lechler, Cornelie: Aus der frohen Kinderzeit. Lustige Verschen. Esslingen: J. F. Schreiber, 1896
- Lechler, Cornelie: Aus Haus und Hof. Nürnberg: Th. Stroefer, 1893
- Lechler, Cornelie: Goldene Reime für die Kinderstube. Stuttgart: Effenberger, 1890
- Lechler, Cornelie: Aus Luft und Duft. Gedichte. München: Th. Stroefer, 1889
- Lechler, Cornelie: Aus Vögleins Nest. Nürnberg: Th. Stroefer 1896
- Lechler, Cornelie: Aus Wies’ und Feld, aus Wald und Au’. Gedichte. München: Th. Stroefer 1888
- Lechler, Cornelie: Bilderbuch. Stuttgart: Wilh. Effenberger, 1897
- Lechler, Cornelie: Blick’ auf zu Gott. Bibelworte und Poesien. Nürnberg: Th. Stroefer, o. J.
- Lechler, Cornelie: Bunte Welt für kleine Leute. Erzählungen und Verse. Nürnberg: Th. Stroefer. 1893
- Lechler, Cornelie: Häschen auf Wanderschaft: Eine lustige Geschichte für kleine Hasenfreunde. Stuttgart: Loewe, 1926
- Lechler, Cornelie: Ehre sei Gott in der Höhe! Gedicht. Stuttgart: Holland und Josenhans, ca. 1920 (Christrosen; 52 = Bd. 9)
- Lechler, Cornelie: Christliches Vergissmeinnicht. Sprüche und Poesien. Nürnberg: Th. Stroefer. 1893
- Lechler, Cornelie: Das Vogel-ABC. Wie’s Vöglein lebt und webt. Nürnberg: Th. Stroefer, 1895
- Lechler, Cornelie: Dein Wille geschehe. Auswahl von Bibelsprüchen für jeden Tag des Monats mit Bildern und Liedern. München: Th. Stroefer, 1889
- Lechler, Cornelie: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes. München: Th. Stroefer, 1888
- Lechler, Cornelie: Durch Flur und Hain. Nürnberg: Th. Stroefer 1894
- Lechler, Cornelie: Ein Guck ins Häuschen für unser Mäuschen. Nürnberg: Th. Stroefer 1894
- Lechler, Cornelie: Die Übernächsten: Ein Buch für Tierfreunde. Ulm, Donau: Höhn, 1938
- Lechler, Cornelie: Der Tiere Klugheit und Gemüt: Ein Buch für kleine und große Tierfreunde. Gütersloh: Bertelsmann, 1914
- Lechler, Cornelie: Der Nussknacker. Esslingen: F. W. Schreiber, 1913
- Lechler, Cornelie: Kleine Erzählungen für Mädchen. Stuttgart, 1896
- Lechler, Cornelie: Kleines Volk bei’m Spiel. Stuttgart: Verlag von W. Effenberger (F. Loewe's Verlag), ca. 1905
- Lechler, Cornelie et al: Das Puppenhaus: 16 Farbendruckbilder mit Texten. Esslingen: F. W. Schreiber, 1905
- Lechler, Cornelie: Ringel-Ringel-Reih: Ein lustig Allerlei; Schatzkästlein zum Zeitvertreib für unsere lieben Kleinen. Stuttgart: F. Loewes Verlag, ca. 1905
- Lechler, Cornelie: Ein Sonntags-Bilderbuch: Für unsere Kleinen. Nürnberg: Stroefer, 1904
- Lechler, Cornelie: Tiergeschichte erzählt. Esslingen: F. W. Schreiber, 1903
- Lechler, Cornelie: Meinem Liebling. Stuttgart: F. Loewe, 1900
- Lechler, Cornelie: Lasset die Kinder zu mir kommen. Nürnberg: Stroefer, ca. 1900
- Lechler, Cornelie: Kinderlust: Ein Bilderbuch mit Versen. Esslingen, F. W. Schreiber, 1899
- Lechler, Cornelie Wie das Kind sein soll! Ein Kinderspiegel. Esslingen: F. W. Schreiber, 1898
- Lechler, Cornelie: Wer beten kann, ist selig dran. Stuttgart: Holland, ca. 1898 (Christrosen; Ser. 2, H. 6)
- Lechler, Cornelie: Noah’s Arche: Mit Reimen. Nürnberg: Th. Stroefer, 1895
- Lechler, Cornelie: Langöhrchens grosse Reise: Eine lustige Geschichte für kleine Hasenfreunde. Stuttgart, 1894
- Lechler, Cornelie: Kleine Plaudereien: Erzählungen, Fabeln, Rätsel und Gedichte. Stuttgart: 1894
- Lechler, Cornelie: Im Regen und Sonnenschein: Erzählungen und Verse. Nürnberg: Th. Stroefer, 1893
- Lechler, Cornelie: Meinem Herzblättchen: Ein neues Buch zur Unterhaltung für unsere Kleinen. Stuttgart, 1893
- Lechler, Cornelie: Tagebuch für’s christliche Haus: Sprüche und Poesien. München: Th. Stroefer, 1892
- Lechler, Cornelie: Kunterbunt: Ein neues Buch zur Unterhaltung für unsere Kleinen. Stuttgart, 189