Con Berner und „Der Karriere Terror“

Biographie

Con Berner kommt als Conrad Berner 1942 in Winnenden zur Welt. Der Vater ist im Krieg geblieben, Berner wächst bei der Mutter in Bretzenacker auf. Der Schulbesuch fällt ihm nicht leicht, er rebelliert. 1956 muss er „nach zweimaligem Sitzenbleiben mit acht Fünfen und einer Sechs im Zeugnis“ (Berner 1972, Klappentext) die Schule verlassen. Er wechselt an die Kastenschule. Es ist ein engagierter Lehrer, der ihn zur Besinnung bringt – Karl Mast, dem Berner später sein bekanntes Buch widmen wird. Berner besucht darauf in Schorndorf die Höhere Handelsschule, die er jedoch abbricht. Auf eigene Faust holt er als externer Prüfling am Wirtschaftsgymnasium in Stuttgart das Abitur nach, bildet sich weiter, liest Nietzsche, Schopenhauer, Brecht. Mit 27 schließt er sein Wirtschaftsstudium in Mannheim ab und verdingt sich als Journalist bei dem Wirtschaftsmagazin „Konkret“ in Köln, später bei auch „Plus“. 1972 erscheint bei Econ sein erfolgreiches Sachbuch „Der Karriere Terror“, ein Bestseller. In der Folge ist Berner als freier Autor tätig und schreibt unter anderem für die „Computerwoche“ und „Office Management“. Was auch immer es ist, das ihn aus der Bahn wirft: Berner erlebt Ende der Neunziger nach eigenem Bekunden eine Marienerscheinung und zieht zurück nach Winnenden, wo er sich wegen seiner Krebserkrankung strengen Fastenkuren unterwirft, spirituelle Wanderungen in die nähere Umgebung anbietet und sich gegen Stuttgart 21 engagiert. Zunächst scheint es, als habe Berner durch alternative Therapien den Krebs überstanden oder zumindest eindämmen können. Ein Trugschluss: Am 8.7.2020 versendet Berner einen Abschiedsbrief, in dem er den Empfängern alles Gute wünscht für „den weiteren Weg durch dieses undurchschaubare, ja absurd anmutende Diesseits“ (Berner 2020, Mitt. Weber). Er hinterlässt ein unvollendetes Manuskript, in dem er sich auf 230 Seiten mit seiner Krebserkrankung auseinandersetzt. Geplant ist der Titel „Den Krebszellen ein Stalingrad“ (ebd.).

Bezug zu Winnenden

Berner hat in Winnenden seine Schullaufbahn begonnen. Es war Karl Mast, der den jungen Mann gefördert hat. Ihm widmet Berner daher auch sein einziges Buch: „Dieses Buch widme ich meinem hochverehrten Lehrer Karl Mast“. Zuletzt lebt er in der Seehalde 32.

Werk

Berners einziges Buch für ein breites Publikum spiegelt die Zweifel der Siebziger am Prinzip der Selbstvermarktung. Berner, zunächst selbst ein erfolgreicher Aufsteiger, wendet sich großer Vehemenz gegen das Karrieremachen und den hemmungslosen Konsum.

Im ersten Teil („Die Karriere-Misere“) beschreibt er das sinnentleerte Streben nach Erfolg als krankhaft. Es führe unweigerlich in die Krise, korrumpiere die Frauen, ruiniere die Gesundheit und zerstöre menschliche Bindungen. Berner beschreibt insgesamt sieben Laufbahn-Krisen: Hochschulkritik übt er im Abschnitt „Die Einstiegskrise“; er wendet sich gegen selbstzerstörerische Aggression, Konkurrenzdruck und die Tendenz zur Fehlbeurteilung; er beschreibt defekte Beziehungen zu Frau und Familie („Die Privat-Krise“, „Die Human-Relations-Krise“), die letztlich in eine „Gesundheits-Krise“ münden. All diese Krisen kulminieren in der „Krise der Lebensmitte“. Aus Berners Sicht ist es nahezu unmöglich, auf der Laufbahn nicht auszugleiten oder auszubrennen. Das zeigt sich auch Berners Einlassungen zu „Karriere ohne Misere“ (S. 87 ff.) – kurz: Es gibt sie nicht.

Der zweite Teil von Berners Buch ist ein alphabetischer „Anti-Karriere-Kursus“. Zu Stichwörtern aus allen Zweigen des Arbeitslebens sucht sich Berner eine Höllenschau der Betriebswelt zusammen. Die Presse urteilt vernichtend: „Was zwischen den Stichworten Aggression und Zynismus als Beichtspiegel für Karrieristen angeboten wird, liefert allenfalls eine amüsante Bettlektüre, keineswegs den Denkanstoß zur Besinnung“ (Schmid, 1972).

Im dritten Teil von Berners Anti-Karriere-Buch geht es um „Erfolg ohne Karriere“. Berner schlägt hier einen zwischen Stoa, Epikur und den Zynikern pendelnden Egoismus vor, der moralische Regeln nur bedingt gelten lässt. Von der Ehe wird abgeraten. Empfohlen wird dagegen, mit dem „Dritten Auge“ aus großer Distanz auf sein Leben zu blicken (S. 213 f.), sich auf den Tod vorzubereiten (S. 219 ff.) und den Sisyphos-Charakter seiner Bemühungen anzunehmen. Angesichts solcher Positionen wundert es nicht, wenn der Rezensent der „Zeit“ äußerst ungnädig feststellt: „Zurück bleibt das dumme Gefühl, daß wieder einmal ein Autor es versteht, geschickt auf der Karriere-Welle zu schwimmen, um letztlich doch nichts anderes als Gemeinplätze, amüsante Lektüre und ein paar Aha-Effekte zu bieten.“

Insgesamt ist Berners Buch geprägt von den Widersprüchen der bundesrepublikanischen Wirklichkeit in den frühen Siebzigern. Männer versuchen dem traditionellen Rollenbild zu entsprechen und reiben sich dabei auf, während sich auch viele Frauen nicht aus den tradierten Rollenzuschreibungen lösen können. Aus den USA übernommene Managementmethoden beherrschen zunehmend die Arbeitswelt, in der sich Berner als Journalist und Arbeitnehmer bewegt. Die patriarchalische Fürsorglichkeit der Nachkriegszeit und des Wirtschaftswunders ist zeitgemäßen Mustern der Personalführung gewichen. Ihr Maßstab ist größere Effizienz und Rationalität, sie bleiben aber genauso normierend und hierarchisch wie zuvor. Berner erlebt mit, wie auch die Digitalisierung Einzug hält: In größeren Unternehmen setzt man bereits auf die EDV, die entscheidend zur Rationalisierung beiträgt. In diesem Klima ist wenig Raum für Selbstfindung und Selbstentfaltung. Stattdessen herrschen Männlichkeitskonzepte vor, die von Konkurrenzdruck geprägt sind und Selbstbehauptung zum Leitbild erheben. Individualität wird vor allem als Möglichkeit der Selbstvermarktung gesehen. Vor diesem Hintergrund ist Berners aggressive Rhetorik verständlich; für viele Zeitgenossen war sie offenbar nachvollziehbar, wenn sie von Befürwortern des Systems auch schroff abgelehnt wurde.

Bibliographie

Werk und Quellen

  • Berner, Con: Der Karriere Terror. Vom Preis des Erfolges und warum man ihn nicht bezahlen sollte. Wien, Düsseldorf: Econ, 1972
  • Berner, Con: Auszug aus Buch Rohmanu[skript] […] „Den Krebszellen ein Stalingrad!?“, Mitt. Weber, 2021.
  • Berner, Con: Abschiedsbrief, 8.7.2020

Sekundäres

  • Schmid, Klaus-Peter: Bücher der Wirtschaft: Wenn Leistung selbstmörderisch wird. In: DIE ZEIT, Nr. 43, 1972, 27.10.