Schüler in besonderen Lebensumständen
Normale Schüler gibt es nicht. Gute Pädagogen sehen in allen Schülern das jeweils Besondere. Das Besondere ist dabei immer Teil des Ganzen: wer LRS hat, ist vielleicht ein wunderbarer Erzähler; wer depressiv ist, wird vielleicht ein großer Mathematiker. Kein Schüler ist an und für sich "besonders", zumindest nicht in dem Sinne, dass er sich fundamental von anderen unterschiede, dass er weniger wert wäre, dass er ausgesondert werden müsste.
In dieser Rubrik werden "besondere Lebensumstände" benannt und charakterisiert. Für die pädagogische Arbeit ist jeweils zu beachten:
1. Männliche und weibliche Bezeichnungen gelten für beide Geschlechter. Geschlechterstereotype (etwa bei Aggression oder Anorexie) sind gefährlich.
2. Jeder Schüler ist nicht nur hyperaktiv oder depressiv. Wichtig ist der Blick auf das Ganze der Persönlichkeit. Ferner gilt: Nicht jeder Schüler ist in gleicher Weise auffällig. Richtig ist auch: Kein Schüler entspricht in allen Punkten einer Merkmalsliste.
3. Manche Lebenslagen ändern sich rasch, manche Lebensumstände sind länger stabil. Kein Schüler darf durch seine Lehrkräfte durch Diagnosen festgelegt und festgestellt werden. Hilfreich ist eine optimistische, warmherzige, wachstumsförderliche Grundhaltung.
4. Pädagogen sind keine Ärzte, keine Therapeuten, keine Psychologen. Lehrkräfte schützen sich und andere, wenn sie Spezialisten hinzuziehen. Fachliche Expertise ist oft zwingend erforderlich, nie verkehrt. Pädagogen können aber wach sein und offen, beobachten, analysieren, vermitteln und unterstützen. Dazu bedarf es keines speziellen Fachstudiums.
5. Pädagogen brauchen elterliche Unterstützung, den Eltern nutzt das der distanzierende Blick der Lehrerinnen und Lehrer. Bis auf Fälle, wo die Zusammenarbeit das Kind gefährdet (Missbrauch, häusliche Gewalt), sollten Pädagogen vorurteilsfrei und verständnisvoll auf Eltern zugehen.
6. Schüler brauchen Vertrauen, Aufmerksamkeit, Mitgefühl, Respekt und Diskretion: Vertrauen, das ihnen ermöglicht, sich zu öffnen; Aufmerksamkeit, damit ihre Signale verstanden werden; Mitgefühl, damit sie wissen, dass sie nicht allein sind in ihrer besonderen Lage; Respekt für ihre Leistung, mit schwierigen Umständen zu kämpfen; Diskretion im Hinblick auf ihre besondere Verletzlichkeit.