Bühnenform und Bühnenräume

Die ganze Welt sei eine Bühne, sagt Jacques in Shakespeares „As You Like it“. Das ist sicher richtig, aber die meisten Spielstätten definieren einen Ort, an dem gespielt wird – die Bühne. Damit ist auch der Umraum definiert: der Publikumsraum.

Ansprüche an eine Bühne

  • Eine Bühne muss von allen Plätzen aus sichtbar sein.
  • Die Form der Bühne muss die Akustik des Spiels unterstützen.
  • Sie muss die verschiedenen Schauplätze des Stücks darstellen.
  • Die Bühne muss die Welt des Stücks abgrenzen gegen die Wirklichkeit des Zuschauerraums.
  • Sie muss szenisches Spiel ermöglichen.
  • Sie muss einen reibungslosen Umbau der Dekoration und der Kulisse ermöglichen.
  • Auftritte und Abgänge sollten möglich sein.
  • Die Spielfläche muss gut zu beleuchten sein.
  • Die Bühne muss sicher sein – insbesondere feuersicher.
  • Die Bühnenmaschinerie muss sich für das Publikum unsichtbar zum Einsatz bringen lassen.

Grundbegriffe

  • Die Rampe ist die Begrenzung der Bühne zum Zuschauerraum (daher: im Rampenlicht stehen, eine Rampensau sein).
  • Das Proszenium ist ein Bühnenportal, das dem Geschehen auf der Bühne einen optischen Rahmen gibt.
  • Die Spielfläche ist der für das Schauspiel vorgesehene Raum (in der Regel 150-200 m², oft bis zu 1,20 m über dem Zuschauerraum).
  • Die Seitenbühne ermöglicht Auftritt und Abgehen zur Seite.
  • Die Hinterbühne ist der Raum rascher Neukostümierung und erlaubt den Auftritt zur Mitte.
  • Der Bühnenturm ist der erhöhte Aufbau über der Bühnenfläche, in dem sich Kulissen, der Schnürboden und die Beleuchtungsgestelle verbergen (Höhe des Bühnenturms: doppelte Höhe der Bühnenöffnung und zusätzlich vier Meter). Am Prospektzug (den Laststangen) können Prospekte ins Bild abgesenkt werden oder wieder gehoben. Auch die Bewegung der Vorhänge wird hier vorgenommen, vom Rollenboden
  • Der Feuerschutzvorhang (daher: der Eiserne Vorhang) sollte das Übergreifen von Bränden auf den Zuschauerrraum verhindern.
  • Eine Drehscheibe ermöglicht das Drehen von Bühnenaufbauten, auch um einen Schauplatzwechsel zu ermöglichen. Die Drehbühne wurde 1896 von Karl Lautenschläger im Münchner Residenztheater emtwickelt.
  • Bühnenwagen mit vormontierten Kulissen lassen sich ebenfalls einfahren.
  • Mit der Hebebühne lassen sich Figuren von unten ins Bild versetzen.

Welche Typen von Bühnen unterscheidet man?

  • In der Konfrontationsbühne stehen sich Bühne und Zuschauerraum gegenüber und sind klar getrennt. Diese Trennung wird durch die Architektur, die Dekoration und die Beleuchtung unterstrichen.
  • Eine Vorbühne ragt in den Zuschauerraum hinaus, was den szenischen Raum ins Publikum erweitert und Nähe schafft.
  • Bei der Raumbühne ist die Spielfläche ein weitgehend dekorationsloser Raum. Sie ist allseitig vom Publikum umgeben, was einerseits Nähe schafft, andererseits das Ende einer Hauptansicht bedeutet. In diesem Kontext gehören Konzepte wie Andreas Weiningers „Kugelbühne“ oder das „Totaltheater“ des Bauhausgründers Walzer Gropius.
  • Eine Etagenbühne kombiniert verschiedene Spielflächen auf einer mehrstöckigen Bühnenkonstruktion.
  • Beim Environmental vermischen sich Zuschauerraum und szenischer Raum – das Geschehen findet an verschiedenen Orten im gemeinsamen Raum statt.
  • Freilichtbühnen sind Bühnen unter freiem Himmel, gelegentlich mit einem Bühnenaufbau. Die erhaltenen Theater der Antike verfügen über Freilichtbühnen, auch die im Nationalsozialismus angelegten Thingspielstätten verfügen über Freilichtbühnen.

Welche Sonderformen der Bühne gibt es?

  • Orchestrabühne (Antike): Die Orchestrabühne ist eine Freilichtbühne, bei der die Zuschauer von einer dreiviertelrunden Tribüne (das Theatron) auf die Bühnenfläche (die Orchestra) hinabschauen. Das Bühnenhaus (die Skene) schließt den Hinterbühnenraum ab gegen die erhöhte Spielfläche (das Proskenion). Es enthält technische Hilfsmittel, etwa den Bühnenkran (die Mechane), die den Einsatz des auf die Bühne einschwebenden Deus ex Machina ermöglicht. Je ein Parodos ermöglicht Auftritte von der Seite.
  • Römisches Theater: In Rom wird die Orchestra aufgelöst und zum Parkett für Privilegierte aufgewertet. Das Theatron wird zur halbkreisförmigen Cavea. Aus der nüchternen Skene wird die oft mehrstöckige, prunkvoll ausgestattete und so ins Spiel einbezogene Scaenaefrons. Zum vollen Kreis geschlossene Amphitheater wie das Kolosseum gibt es allerdings auch.
  • Simultanbühne (Mittelalter): Während zunächst in den Kirchen selbst gespielt wird, verlagert sich das geistliche Schauspiel des Mittelalters zunehmend auf den Kirchenvorplatz und erweitert sich zum Mysterien- und Osterspiel, das mehrere Stationen im Ort passiert. Gespielt wird oft auf Bretterpodesten.
  • Terenzbühne (Frührenaissance): Die in der Renaissance aufkommende Terenzbühne (nach dem römischen Komödiendichter Terenz) ist ein niedriges Podest vor drei Kabinen, die unterschiedliche Handlungsorte darstellen. Zieht man den davor hängenden Vorhang zur Seite, entstehen Innenräume. Sie sind über einen dahinter abgebauten Steg zu erreichen.
  • Renaissance-Theater: Die ersten geschlossenen Theaterbauten entstehen in Oberitalien. Berühmt ist beispielsweise das Teatro Olimpico in Vicenza. Die Kulissenbühne mit geneigtem Bühnenboden (Bühnenfall) und perspektivisch gemalten Kulissen steht der ansteigenden Cavea gegenüber, die verkleinerte Orchestra nimmt Ehrengäste und Musiker auf. Die Bühne erhält einen prächtigen Portalrahmen, die Bühnenwand ist reich gegliedert. Das Dach bildet ein Theaterhimmel. Da nur die Bühne beleuchtet ist, ergibt sich eine Trennung von Bühne und Zuschauerraum.
  • Shakespeare-Bühne (Renaissance): Die Shakespeare-Bühne leitet sich von den Budenbühnen ab, die von reisenden Truppen bespielt wurden und oft in den Hinterhäusern von Gasthöfen aufgebaut wurden. Die Vorderbühne (main stage) ragt weit in den Zuschauerraum hinaus, die Hinterbühne kann geöffnet werden, um Innenräume anzudeuten. Die Oberbühne ist entweder mit Honoratioren besetzt oder wird bespielt (wie in der berühmten Balkonszene aus „Romeo and Juliet“. Der Bühnenraum wird von einem farbig gefassten Vordach überwölbt (heaven), das Publikum steht im ungeschützten Hof (pit), vermögende Zuschauer schauen von den Galerien (galleries) auf das Geschehen hinab. Gespielt wird nur bei Tageslicht, der Beginn des Stücks wird durch einen Trompetenstoß eingeleitet und durch eine Fahne (banner) auf dem Theatergebäude angedeutet – eine weiße Fahne verweist auf Komödien, eine schwarze auf Tragödien.
  • Corral-Bühne: Die spanische Corral-Bühne (el corral = der Hof) beginnt mit Holzpodesten, die in Hinterhöfen oder zwischen Häuserrehen ausgeschlagen werden. Vor der Bühne sitzen angesehene Bürger, dahinter die Claqueure, die ihr Gefallen oder Missfallen kundtun. Es folgen die übrigen Zuschauer, die das Spiel unter einem Sonnensegel im Stehen verfolgen. Männer und Frauen sitzen getrennt, die Plätze in den Häusern werden als Logen vermietet. Die Bühne ist sparsam dekoriert, die Schauspieler kleiden sich häufig hinter einem Vorhang um. Der Bühnenumbau wird illusionsbrechend auf offener Bühne durchgeführt.
  • Guckkastenbühne: Im Barock entwickelt sich die illusionistische Guckkastenbühne mit einem durch den Portalrahmen gefassten und durch Kulissen gestaffelten Tiefenraum. Diese Wirkung verstärkt der Bühnenfall. Die beleuchtete Bühne ist klar vom unbeleuchteten Zuschauerraum getrennt, die gedachte vierte Wand schließt die Bühne zum Publikum hin ab. Das Schließen des Bühnenvorhangs ermöglicht den Umbau. Hinter der Rampe folgt der vertiefte Orchestergraben. Die besten Plätze bietet der erste Rang mit den zentral positionierten Fürstenloge und die vorderen Plätze des Parketts.
  • Reliefbühne: Die 1908 durch den Architekten Max Littmann entwickelte Reliefbühne wirkt durch Oberlichter und den Verzicht auf Tiefenraum. Im Vordergrund steht das Schauspiel, weniger die Dekoration. Vor der Breite der Bühne sitzt das Publikum in geraden, steil aufsteigenden Reihen.

Bibliographie

  • Grösel, Bruno: Bühnentechnik: Mechanische Einrichtungen. - Berlin: De Gryuter, 2015, 5. Auflage
  • Burmeister, Enno: Antike griechische und römische Theater. Darmstadt: Wiss. Buchges., 2006
  • Nelle, Florian: Künstliche Paradiese: Vom Barocktheater zum Filmpalast. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2005
  • Aliverti, Maria Ines (Hg.): Theatrum mundi: Die Welt als Bühne [Ausstellung im Haus der Kunst München vom 24. Mai - 21. September 2003], hrsg. v. Ulf Küster. Wolfratshausen: Ed. Minerva, 2003