Ausland
Holland
Wie die Spartaner ihre Kinder vor der Trunkenheit bewahrten, indem sie ihnen als warnendes Beispiel einen berauschten Heloten zeigten: so sollten wir in unseren Erziehungsanstalten einen Holländer füttern, dessen sympathielose, gehäbige Fischnatur den Kindern einen Abscheu vor der Nüchternheit einflößen möge.
Heinrich Heine: Das Zeitungspaket (Helgoland, den 6. August)
Tschechien
Böhmen ist ein schönes, bergiges Land, aber die Böhmen haben mir nicht gefallen. Schon beim Durchreisen habe ich sie kennengelernt, und ich dankte Gott, als mir der erste österreichische Wirt mit seinem frischen und freundlichen Gesicht entgegenkam; das Käppchen in der Hanmd behielt und auf sein: "Was schaffen euer Gnaden?" kaum die Antwort erwarten konnte. Ein böhmischer Wirt dagegen raucht ruhig in seiner schmutzigen, stinkenden Stube fort, wenn man ermattet, hungrig und durstig hineintritt; was einem gereicht wird, ist schlecht, und man muß es für ein besonderes Glück halten, wenn man nachmittags Kaffee oder Tee in den Posthäusern bekommt. Diese Posthäuser sind an Schuhmacher, Schneider, Sudelwirte etc. verpachtet, daher ist an Ordnung und Bequemlichkeit nicht zu denken; die Postillione werden wenig reguliert und machen mit den Passagieren, was sie wollen; ihre Unverschämtheit mit dem Trinkgeld-Fordern grenzt an das Unglaubliche, und wenn man ihnen Vorwürfe macht, so schimpfen und grinsen sie einen auf böhmisch aus.
Adolf Glasbrenner: Reise nach Wien. Aus: Bilder und Träume nach Wien, I. Leipzig: 1836, S. 2
China
[Über friderizianische Bauen in Potsdam] Die Einheit liegt nicht im Ganzen, sondern in einzelnen, separaten Teilen. Während an jedem immer eins, was anmmutig und freundlich in die Augen fällt, sich findet, herrscht, im übrigen die geistloseste Kategorie, die in der Kunst nur existiert, das gleichmäßige Fortschreiten in der Proportion. Die Konsequenz ist chinesischer Geschmack, und ich muss gestehen, daß ich bei vielen Palästen dieser Stadt an China erinnert wurde. Das Chinesische ist in der Potsdamischen Kunst so durchgreifend, daß sogar ein Haus, das in der Tat japanisch sein soll, nicht im chinesischen Stil gebaut ist. Wolf, Friedrich des Großen Liebling, hielt China für den besten Staat.
Karl Gutzkow: Kasseler Skizzenbuch, 1839, S. 225
Italien
Bald hier, bald dort sieht man eine Dogenmütze an den Palästen, und darüber stiere, glaslose Fenster oder mit Brettern verschlossene - alte Dogensärge. [Auslassung, Sprecherwechsel] Komm, umarme mich, du furchtsames deutsches Blut, halt still, Andrea, hier ist Lord Byrons Haus, Venedig ist ein Grenzstein der Poeten: hier sehr Ihr mit einem Blicke in die katholischen Kirchen, aus denen der geheimnisvolle, lateinische Gesang tönt, mit dem andern in den wollüstigen Orient, welcher des Leibes Schönheit genießt bis in die kleinste Faser, hier sehr Ihr die Trümmer von allerlei Größe, aus welchen die romantischen, sehnsüchtigen Worte wachsen, und Ihr seht den frischen Genuß all dessen, was noch lebt, was sich auf den Trümmern umarmt - Venedig ist jener Don Juan, der sich freut, bis ihm die Seele ausfährt, Venedig ist der lustige Kirchhof moderner Poeten, komm, piccolo Enrico, in diesem Haus hat Lord Byron seinen Don Juan empfangen und geschrieben, komm.
Heinrich Laube: Il Rialto. Aus: Reisenovellen, II. Leipzig, 1834, S. 469
Polen
Die Polen sind wieder eine heimatlose Nomadennation geworden, ohne ihr Vaterland aufgegeben zu haben; jubelnd hat sie das zivilisierte Europa empfangen, ihre Tränen getrocknet, ihre Wunden verhüllt, ihr krankes Herz getröstet, die öffentliche Meinung, die große Jury der Weltgeschichte, hat durch Akklamation entschieden. Die kleinen Staaten Deutschlands hatten durch ihre Bewohner ihre herzlichsten Worte und rührende Taten, ihre Sympathie für die Unglücklichen bekundet. Tief im unglücklichen Polenlande sollen die alten Krönungsgeräte vergraben sein, und wenig Auserwählte sind's, die den Ort kennen. Sowenig aber die Russen in der böotischen Nacht den Ort auffinden werden, wo die Symbole der alten polnischen Herrschaft ruhen, so gewiß kommt der Tag, wo man sie ans Licht bringen wird mit einem Jauchzen, als sei die ergiebigste Goldader gefunden. - Man kann den polnischen Glanz wohl vergraben, aber nicht vernichten.
Heinrich Laube: Noch ist Polen nicht verloren. Aus: Polen, Das neue Jahrhundert I, Leipzig, 1833, S. 334
Polen
Die armen Polen werden wohl jetzt gestorben sein. Sie sind glücklicher als ich. Dem entsetzlichen Schauplatz näher, wissen Sie schon das Schlimmste. Seit vorgestern habe ich keine Kraft, eine Feder zu führen, ich konnte nicht lesen, nicht denken, ich konnte nicht einmal weinen und beten; nur fluchen konnte ich. Gesiegt haben die Polen schon vier Tage lang, aber entschieden ist noch nichts, und gestern sind gar keine Nachrichten gekommen. Man sprach von einem Kuriere, den der russische Gesandte erhalten; die Russen wären in Warschau eingerückt. Aber wenn das wahr wäre, hätte man schon den Jubel der besoffenen Knechte gehört, an denm Festtagen ihrer Herren, und die deutschen Blätter von gestern erzählen nichts. Nicht wie Menschen, wie Kriegsgötter selbst haben die Polen gekämpft. Sie jagen singend den Feind, wie Knaben nach Schmetterlingen jagen; sie stürzen sich auf die Kanonen und nahmen sie, wie man Blumen bricht. Männer, Kinder, Greise, drei Geschlechter drei Zeiten waren in der Schlacht, und die Russen, wie feige Meuchelmörder, schossen aus dem Dickicht der Wälder heraus. Was wird es helfen? Jeder Sieg bringt die Polen ihrem Untergang näher.
Ludwig Börne: Die gescheiterte Revolution in Polen. Aus: Briefe aus Paris, Ges. Schriften, IX, Hamburg, 1862, S. 37