Gut ankommen am Gymnasium
Wenn die Sommerferien enden, erwartet Ihre Kinder ein Neubeginn an der weiterführenden Schule. Manche Kinder sind beflügelt, andere zunächst etwas schockiert. Falls Sie noch kein weiteres Kind am Gymnasium haben, können Sie jedenfalls mit einigen Veränderungen rechnen. Mit etwas Umsicht und viel Ermutigung lässt sich ein Gymnasialschock jedoch abmildern. Als Eltern bleiben Sie die zentralen Bezugspersonen Ihres Kindes und wichtige Ansprechpartner für seine Lehrerinnen und Lehrer. Begleiten Sie Ihr Kind gerade in den ersten Monaten besonders aufmerksam!
Fremdsprachen. An vielen Grundschulen werden Fremdsprachen spielerisch eingeführt. Das ist entwicklungspsychologisch durchaus sinnvoll. Am Gymnasium müssen Vokabeln jedoch systematisch gelernt und vor allem auch geschrieben werden. Es kann dauern, bis Ihr Kind die neue Lernkultur verinnerlicht hat. Im Zweifel nehmen Sie bitte Kontakt zur Fremdsprachenlehrkraft auf!
Frühes Aufstehen. Bedenken Sie, dass Ihr Kind jetzt möglicherweise einen längeren Schulweg vor sich hat. Der Wecker klingelt unter Umständen für alle etwas früher. Die geänderten Aufstehzeiten bringen den Biorhythmus vieler Schüler durcheinander. Manche Kinder haben dann ein gesteigertes Schlafbedürfnis oder führen den längst überwundenen Mittagsschlaf wieder ein. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind bis zur Umstellung etwas früher ins Bett geht und ausreichend frühstückt.
Gebäude. Ihr Kind muss sich in einem größeren Gebäude zurechtfinden. Diese Phase dauert in der Regel nur einige Tage, sorgt aber dennoch oft für Verwirrung. In der Regel unterstützen Schulen ihre Neuankömmlinge durch Willkommensbroschüren und Schulhausführungen. Auch Patenprogramme sind vielerorts üblich.
Gepäck. Gerade an langen Schultagen mit drei oder vier Fächern kann das Ranzen- oder Rucksackgewicht Ihr Kind zusätzlich belasten – wesentlich mehr als sieben Kilo sollte das Gepäckstück nicht wiegen. Je zarter Ihr Kind ist, desto eher leidet es unter der Rückenlast. Bringen Sie in Erfahrung, was Ihr Kind tun kann, um das Gewicht seines Gepäcks zu verringern. Viele Schulen bieten Schließfächer an, manche Lehrer akzeptieren es, wenn sich Kinder ihre Bücher teilen.
Geschwindigkeit. An vielen Grundschulen ist es möglich, schnelle und langsame Kinder individuell zu fördern. Zurecht: Unterschiede beim Arbeitstempo sagen wenig über die Intelligenz der jeweiligen Kinder aus. In der GRundschule gewöhnen sich schnelle Kinder daran, sich Zusatzmaterialien abholen zu können; langsame Kinder lernen, dass sie die Zeit bekommen, die sie brauchen. So wünschenswert es wäre, am Gymnasium ignoriert man solche Unterschiede oft. Gerade langsame Kinder müssen ihre Arbeitsgeschwindigkeit anpassen. Oft laufen Lücken auf, die Aufschriebe werden schludrig. Lassen Sie sich hin und wieder zeigen, wie die Schulmaterialien aussehen – dann haben Sie einen Eindruck, wie es Ihrem Kind geht. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es sein Tempo steigern kann!
Gruppendynamik. Sobald die Kinder sich besser kennen, nach etwa zwei bis drei Monaten, bilden sich neue Freundschaften, während alte zerbrechen. Dieser Prozess nimmt viel Energie in Anspruch und zehrt an den Nerven Ihres Kindes! Als Ankerplatz ist das Zuhause jetzt besonders wichtig. Bieten Sie Ihrem Kind zu Hause einen Rückzugsraum und seien Sie verlässlich in Ihrer Zuwendung.
Handys. Viele Eltern versehen Ihre Kinder angesichts längerer Schulwege mit Handys oder lassen sich anrufen, um ihr Kind abzuholen. Nötig ist das nicht. Die Schulwege werden immer sicherer, und eine ausfallende Stunde kann ihr Kind anderweitig nutzen. Sollten Sie Ihr Kind jedoch mit einem Handy ausstatten, überlegen Sie sich vorher verbindliche Regeln zur Nutzung.
Individuelle Förderung. Noch immer sind weiterführende Schulen oft Massenbetriebe. Die Vielfalt von Diagnose- und Fördermöglichkeiten, die Ihr Kind aus der Grundschule kennt, können Gymnasien oft nicht bieten. Anstelle individueller Freiarbeit in Kleingruppen erleben die Kinder öfter Einzel- und Klassenunterricht. Gerade an der Schwelle zwischen Grundschule und Sekundarstufe I gibt es jedoch mittlerweile mehr Unterstützung. Der Lernstand Ihres Kindes wird erhoben, differenzierte Fördermaßnahmen werden geplant. Angebote zum Methodentraining und Organisationshilfen kommen oft hinzu.
Klassenarbeiten. Bezeichnend für gymnasiales Lernen ist dreierlei. Zum einen wird im Unterricht weniger intensiv und weniger kleinschrittig auf Klassenarbeiten geübt als in der Grundschule. Viele Kinder überschätzen daher ihre Beherrschung des Stoffs und bereiten sich zunächst kaum vor. Selbstständiges Üben gehört ab jetzt dazu! Zweitens: Aufgaben erfordern nach einer kurzen Schonfrist höhere Abstraktionsleistungen. Manchen Kindern fällt die Umstellung schwerer. Geben Sie Ihrem Kind Zeit, sich anzupassen! Und drittens: In vielen Fächern werden Transferaufgaben gestellt, die sich von den Übungsaufgaben deutlich unterscheiden. Unterstützen Sie Ihr Kind darin, Aufgabenstellungen gründlich zu lesen!
Klassengröße. Die Klassen sind am Gymnasium in der Regel etwas größer als an der Grundschule. Während Grundschulklassen eher 18-25 Schüler umfassen, sind es in den Eingangsklassen am Gymnasium tendenziell 26-32 Schüler. Das kann bedeuten, dass es etwas lauter zugeht. Lärm kann Kinder sehr belasten – manche Kinder haben zu Hause dann ein erhöhtes Ruhebedürfnis.
Klassenzimmer. Im Vergleich mit den oft liebevoll ausgestatteten Grundschulräumen wirken viele Gymnasialsäle eher kalt und zweckmäßig. Im Vordergrund steht die Funktion der Räume, weniger ihre Atmosphäre. Dadurch können Klassenzimmer etwas einschüchternd wirken. Erfahrungsgemäß ist es schwieriger, Räume zu gestalten, die von anderen Klassen mitbenutzt werden.
Klassenzusammensetzung. Die Eingangsklassen werden am Gymnasium neu zusammengesetzt und müssen sich als Gruppe erst finden. In der neuen Gruppe muss Ihr Kind seine Rolle neu bestimmen, möglicherweise werden Machtkämpfe ausgetragen. Das kann an Ihrem Kind zehren. An vielen Gymnasien durchlaufen Ihre Kinder Programme, die ihre sozialen Fähigkeiten schulen und auf ein harmonisches Miteinander zielen. Dennoch sind auch mutige und unabhängige Kinder sind dann besonders anlehnungsbedürftig und suchen Ihre körperliche Nähe. Räumen Sie Ihrem Kind Kuschelzeit ein, wenn es sie braucht.
Lehrkräfte. Ihr Kind sieht sich einer Vielzahl neuer Lehrer gegenüber; in der Regel sind es 6-9 neue Lehrkräfte, an die sich Ihr Kind erst einmal gewöhnen muss. Der umfassende Eindruck, auf den sich die meisten Grundschullehrkräfte stützen können, fehlt Gymnasiallehrern damit fast zwangsläufig. Beratungsgespräche verlaufen deswegen oft etwas oberflächlich. Unterstützen Sie die Lehrkräfte, indem Sie von sich aus viel über Ihr Kind erzählen! Mit etwas Glück unterrichtet der Klassenlehrer zwei oder drei Fächer in der Klasse Ihres Kindes – er ist der beste Ansprechpartner!
Motivation. Viele Kinder freuen sich zunächst sehr auf die neue Schule. Dass sich die Motivation bald auf einem eher mäßigen Niveau einpendelt, ist vollkommen normal. Sollte Ihr Kind jedoch völlig antriebslos wirken, Mühe beim Aufstehen haben und Ängste entwickeln, dann sollten Sie Kontakt zum Klassenlehrer aufnehmen.
Niveau. Zunächst wiederholen Ihre Kinder auch am Gymnasium zumindest teilweise den Grundschulstoff, besonders in Mathematik oder Deutsch. Manche Kinder lehnen sich dann entspannt zurück. Vorsicht! Die Leistungsanforderungen nehmen rasch zum, die Lernkurve verläuft steil. Die Aufgaben werden nach einigen Monaten komplexer und erfordern ein höheres Maß an Selbstständigkeit. Nicht wenige Kinder fühlen sich dann phasenweise überfordert. Wird die Überforderung zum Halbjahr hin zum Dauerzustand, müssen Sie handeln. Suchen Sie umgehend das Gespräch mit dem Klassenlehrer. Er vermittelt Ihnen den Kontakt zum Beratungslehrer.
Noten. Möglicherweise hatte Ihr Kind am Gymnasium niemals auch nur eine Drei. Es reagiert also bestürzt, wenn es plötzlich sogar Vieren nach Hause trägt. Im Grunde ist die Entwicklung leicht zu erklären. In einem dreigliedrigen Schulsystem werden an der Grundschule drei Leistungsniveaus zusammen unterrichtet. Als „Gymnasialkind“ erbringt Ihr Kind im Verhältnis zu den „Realschulkindern“ oder den „Werkrealschulkindern“ gute Leistungen. Am Gymnasium trifft Ihr Kind nun fast ausschließlich Kinder mit vergleichbar guten Grundschulergebnissen. Auch hier bildet sich wieder eine Rangfolge. Vor allem, wer sich zunächst schwertut, braucht jetzt viel Ermutigung.
Selbstständigkeit. Im Vergleich mit den engmaschigen Kontrollen, wie sie an vielen Grundschulen üblich sind, wirkt die Hausaufgabenpraxis am Gymnasium etwas nachlässig. Oft wird nur stichpunktartig kontrolliert, auch kann nicht jede Aufgabe im Unterricht ausführlich besprochen werden. Ermuntern Sie Ihr Kind, sich beim Lehrer melden, wenn es etwas nicht verstanden hat. So helfen Sie Ihrem Kind, Verantwortung zu übernehmen!
Sprechstunden. Möglicherweise sind Sie aus Grundschulzeiten halbjährliche Entwicklungsgespräche gewohnt. Dieses Angebot machen am Gymnasium nur wenige Klassenlehrer. Der Elternsprechtag findet einmal im Jahr statt, die meist zehnminütigen Termine reichen aber für ein produktives Gespräch selten aus. Gehen Sie von sich aus auf die Lehrkräfte zu, wenn Sie Gesprächsbedarf haben – und teilen Sie den Lehrern vorher mit, worum es geht!
Überforderung. Für viele Fünftklässler ist es wichtig, sich selbst und Sie nicht zu enttäuschen. Die Wahrscheinlichkeit partiellen Scheiterns ist allerdings recht hoch. Beobachten Sie Ihr Kind in den ersten Monaten genau: In welchem Zustand kommt es heim? Gibt es Auffälligkeiten im Essverhalten? Schläft ihr Kind unruhiger oder kommt es abends nicht zur Ruhe? Ist es emotional unausgeglichen, weint es rasch oder wird es schneller wütend? Auch Kopf- und Magenschmerzen können Anzeichen für eine Überforderung sein. Wenn Sie diese Warnzeichen wahrnehmen, ist es Zeit für ein Gespräch mit dem Klassenlehrer.
Unterschiede zwischen einzelnen Grundschulen. Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Ihnen im Gespräch mit anderen Eltern auffällt, dass das Programm anderer Grundschulen ambitionierter ist als an der Schule Ihres Kindes. Grundschulen verfolgen unterschiedliche Wege, Ihr Kind gymnasialtauglich zu machen. Das gleicht sich innerhalb weniger Monate aus
Vertretungsplan. Im Vergleich zur Grundschule ist eine weiterführende Schule recht komplex. Ausfälle lassen sich weniger leicht kompensieren, Vertretungspläne ändern sich rasch. Halten Sie Ihre Kinder an, auf Änderungen zu achten. Viele Schulen bieten entsprechende Apps, die Ihnen und ihren Kindern helfen, die Übersicht zu bewahren. Erwarten Sie nicht, dass Ihr Kind in ausfallenden Randstunden betreut wird.